Dieser Artikel startet mit meiner persönlichen Geschichte. Als Spätzünderin im Radsport, mit 21 Jahren, war der Einstieg nicht gerade leicht: Die Technik lernen, die Kondition aufbauen, einen Trainingsplan umsetzen, und die Rennen überleben. Obwohl ich unglaublich viel Spaß hatte, mit meinem Partner an diesen Schritten zu arbeiten und er mir immer ein hervorragender Coach war, wollte ich es irgendwann mit einem externen Trainer versuchen.
Damals wusste ich noch nicht, dass Frauen überhaupt mit dem Zyklus trainieren können, und sich dadurch das Leben so viel einfacher und effizienter machen können. Das Training auf den Zyklus zu stützen, funktioniert allerdings nur, wenn nicht hormonell verhütet wird. Denn durch hormonelle Verhütungsmethoden wird der Zyklus vollkommen verändert. Sofern man es dann überhaupt noch Zyklus nennen kann.
Alle nicht hormonellen Verhütungsmethoden, wie Atemgasmessung, Basaltemperatur und so weiter, beeinflussen den Zyklus nicht. Hier kann zyklusorientiert gearbeitet werden.
Wie sieht ein normaler Zyklus aus?
Die meisten Frauen haben ein energiegeladenes Hoch während ihrer Eisprungphase, und eher ein Energietief während ihrer Menstruation.
Trotz allem ist es möglich, während aller Phasen in der Theorie die gleichen Werte zu erreichen. Allerdings fühlt es sich vollkommen unterschiedlich an.
An manchen Tagen schreit der Heißhunger und die Müdigkeit ganz laut, und an anderen Tagen können wir mit unserer Energie Bäume ausreißen.
Quelle: https://schriftlich.net/der-zyklus-der-frau/
Aber nun zurück zu meiner Erfahrung:
Mit diesem neuen Trainer wurde mein gesamtes Training umgestellt. Mit Sandro war das Training sehr intervallbasiert und dadurch eher kurz, danach war es auf Grundlagen basiert und mit hohen Umfängen verbunden.
Ich mochte beide Methoden. Schnell fand sich eine Trainingsgruppe und gemeinsam wurden die Umfänge ganz entspannt gefahren. Sobald man in dieser Blase unterwegs ist, kann es allerdings schnell umschlagen und zu einer richtigen Sucht werden. Der ganze Tag wird durch das Radfahren bestimmt, Freunde hinten angestellt und getreu nach dem Motto „Eat.Sleep.Train.Repeat“ jeden Tag an sich gearbeitet.
Die Wettkampfergebnisse werden immer wichtiger und ein schlechter Wettkampftag wirkt sich gleich auf die ganze nächste Woche aus. Warum hat es nicht geklappt? Liegt es am Gewicht? All diese Fragen kennen sicherlich einige und dennoch wird selten darüber offen geredet.
Ein Versagen im Wettkampf wird gleichgestellt mit einem generellen Versagen. Die vielen verschiedenen Einflussfaktoren werden vollkommen außer Acht gelassen. Die Athleten gehen meistens mit sich selbst am kritischsten um, es ist fast immer die eigene Schuld.
Und dann kam der kritische Punkt bei mir. Das Essen wurde angegangen. Mit dieser extrem hohen Motivation, gepaart mit Ehrgeiz, ging es nur noch darum, von Woche zu Woche dünner zu werden und möglichst viel zu trainieren. Und durch meine 2 Tage Uniwoche war dies auch kein Problem.
Wenn man mich damals gefragt hätte, ob ich genug esse, hätte ich definitiv mit Ja geantwortet. Die körperlichen Signale, selbst im Endstadium des kompletten Übertrainings mit unendlicher Müdigkeit, Krank werden, und Ausbleiben der Periode, habe ich mir immer wieder schöngeredet. Mit der Begründung, mit 65 Kilo besteht keine Gefahr, zu verhungern.
Im Gegenteil, die immer schlechter werdenden Rennergebnisse, verführten mich eher dazu, noch mehr zu trainieren.
Damals hätte ich gerne mehr über das Thema Training bei Frauen gewusst, aber zumindest jetzt kann ich versuchen, dass es andere Frauen besser machen. Auch wenn ich nicht mehr aktiv an Rennen teilnehme, außer zum Spaß.
Um das Thema für euch heute von allen Seiten zu beleuchten, habe ich mir heute Lea als Co-Autorin dazu geholt. Bitte Lea, stell dich unserer Community vor.
Ich bin Lea Feder, 30 Jahre alt und habe es mir mit meiner Firma WAY TO WIN zur Aufgabe gemacht, Ausdauersportler*Innen ganzheitlich und nachhaltig auf dem Weg zu ihrem persönlichen Trainingsziel zu unterstützen. Es geht uns besonders darum, den Mensch hinter dem Sportler mit seiner Gesundheit, seinem Alltag, seinem Trainings Umfeld, seiner Ernährung, seiner mentalen Stärke und seinen persönlichen Zielen zu sehen. Mit unserem Trainerteam in Taufkirchen bei München haben wir uns im Radsport bereits einen Namen erarbeitet und weiten unser Angebot aktuell in den Lauf- und Triathlon Bereich aus.
Ich selbst komme aus dem Radsport und bin selbst viele Jahre nationale und internationale Rennen u.a. für Team Stuttgart gefahren. Durch mein Medizinstudium und meine langjährige Erfahrung als Trainerin habe ich bereits am eigenen Körper, bei Teamkolleginnen und Kundinnen viel Erfahrung mit Übertraining und dem RedS (Relative-Energy-Deiciency in Sport) Syndrom gesammelt.
Ich freue mich sehr, meine zugleich wissenschaftlich, als auch erfahrungsbasierte Sichtweise zu diesem heiklen Thema mit in diesen Artikel einbringen zu dürfen.
Mein Training war damals absolut richtig, daran gab es nichts auszusetzen. Aber für eine Frau war es nicht perfekt. Zu viel Training in Kombination mit dem von mir restriktierten Essen. Und ganz schlimm, das Nüchterntraining.
Lea: Warum müssen Frauen anders trainieren? Was unterscheidet Frauen von Männern?
Hier muss man aus meiner Sicht zwei Punkte beachten. Zum einen die hormonellen Schwankungen bei Frauen, die man sich im positiven Sinne zunutze machen kann und zum anderen den gesundheitlichen Aspekt im Bezug auf die Hormonproduktion an sich.
Der neue Trend “zyklus gesteuertes Training” deckt den ersten Punkt ab. Wenn Frau ihren Körper versteht, kann sie ihr Training danach ausrichten und sich dadurch ihr Leben erheblich angenehmer machen. Es ist aber nicht gesagt, dass sie dadurch mehr Trainingserfolg hat. Es wird sich nur deutlich leichter anfühlen, denn sie trainiert mit, statt gegen den Körper. Wer sein Training jedoch nicht danach ausrichtet, macht gesundheitlich gesehen nicht gleich einen großen Fehler.
Generell kann man den weiblichen Zyklus in zwei Hauptphasen einteilen: Die erste und die zweite Hälfte – Follikuläre Phase und Lutealphase genannt. Ich finde die Vorstellung in Jahreszeiten sehr hilfreich: Ein Monatszyklus beginnt mit dem ersten Tag der Monatsblutung. Das ist der Winter – man ist etwas zurückgezogen und ruhig. Dann kommt der Frühling: Der Zyklus dient der Fortpflanzung und dazu braucht Frau einen Partner. In dieser Zeit ist die Stimmung gut, der Tatendrang groß, im Training fallen intensive Einheiten leicht und Kohlenhydrate können gut verdaut werden. Dafür ist das Hormon “Östrogen” verantwortlich. Nach dem Eisprung in der Mitte des Zyklusses kommt der Herbst: Eine stürmische Phase, in der vieles abgeschlossen, aber nichts neues begonnen wird. Die Launen wechseln teils schnell und im Training bietet sich Grundlagentraining mit einem erhöhten Proteinanteil und einer leichten Reduktion von Kohlenhydraten in der Ernährung an. Viele Frauen leiden hier an PMS – dem prämenstruellen Syndrom und oftmals im Anschluss daran an Regelschmerzen, was zum schlechten Ruf des weiblichen Zyklusses führt, den er zu Unrecht hat, denn: diesen beiden negativen Punkten kann man wunderbar vorbeugen durch adäquate Ernährung und angepasstes Training. Mehr s.u.
Der zweite Punkt ist der hier auch angesprochene, in meinen Augen auch deutlich wichtigere, Punkt: Die körperliche Gesundheit und die damit verbundene Hormonproduktion.
Ein Menstruationszyklus erscheint einigen Frauen unpraktisch und man hört häufig Sätze wie: “Ach ich bin froh, dass ich mit dem vielen Training keine Blutungen mehr habe, das ist doch praktisch.” Tatsächlich ist ein funktionierender Zyklus jedoch ein Zeichen körperlicher Gesundheit. Spätestens nach der Leistungssport Karriere im Hinblick auf die Familienplanung ändern hier viele Frauen ihre Ansichten. Es wird nicht viel darüber gesprochen, aber jedes 6. Paar in Deutschland darf sich mit dem Thema “unerfüllter Kinderwunsch” auseinandersetzen. Wenn ich nun im Medizinstudium solchen Paaren gegenüber sitze, sehe ich dieses Thema etwas anders als noch zu Zeiten meines Leistungssports. Während im Durchschnitt ca. 3% der Frauen keine Periode bekommen, sind es je nach Studie bis zu 65% der Ausdauersportlerinnen. Die Studienlage darüber, wie lange die hormonelle Situation nach dem Leistungssport braucht, um sich zu erholen, ist leider dünn. Das lässt sich auch sicher nicht pauschalisieren und ist für jede Frau anders.
Doch um alle abzuholen, für die das Thema Kinderwunsch noch in weiter Ferne liegt: warum ist das nun auch im Hinblick auf Sport und die Leistung wichtig? Lelia hat anschaulich beschrieben, was passiert ist: Je mehr sie trainierte, desto schlechter wurden die Wettkampfergebnisse. Und zur Krönung wird es irgendwann schwierig, das niedrige Gewicht zu halten und obwohl man schon wenig isst, nimmt man immer mehr zu. Klassiker.
Das Hormonsystem der Frauen ist erheblich empfindlicher als das von Männern, aber im Prinzip gibt es dieses Problem bei beiden Geschlechtern – bei Männern allerdings später und mit weniger fatalen Folgen. Generell ist das Problem das folgende:
Wer trainiert und seinen Körper besonders im Training nicht ausreichend mit Kohlenhydraten versorgt, lernt dem Stoffwechsel auf Fettverbrennung umzusteigen. “Juhuu, das ist genau was ich will!” Denkt sich jetzt sicherlich der/die ein oder andere. Das funktioniert zu Beginn auch hervorragend. Man nimmt ab, die Schwellenleistung steigt und man fühlt sich bestätigt. Doch dann kommt der, wenn nicht sogar die Haken: das stresst den Körper. Es führt zu einer Mangelsituation, die der Körper tunlichst vermeiden möchte. Eine Folge ist die Ausschüttung von Stresshormonen, die die Trainingsanpassung und die Regeneration verlangsamen und den Hormonhaushalt durcheinander bringen. Eine weitere Folge ist, dass der Grundumsatz in Ruhe sinkt. Der Körper spart Energie: Man friert viel, hat immer weniger Trainingsmotivation und ist in Training und Alltag weniger leistungsfähig. Hinzu kommt eine erhöhte Infektanfälligkeit. Das merkt man direkt.
Was man nicht unmittelbar merkt: der Körper hat ein erhebliches gesundheitliches Problem, das unter RedS bekannt ist. Ein Frühwarnsignal dafür ist das Ausbleiben der Periode. Doch dazu unten mehr.
Hinzu kommen Unterschiede zwischen Frau und Mann wie das generelle Level an Stresshormonen: Bei Frauen ist es morgens deutlich höher als bei Männern. Trainieren Frauen morgens nüchtern, so führt das zu einer zusätzlichen Ausschüttung von Stresshormonen. Viele Frauen berichten, dass sie sich “den ganzen Tag über nicht mehr von dem Nüchterntraining erholen”.
Dr. Stacy Sims, hat mit ihrem Buch “Peak Performance” (Amazon/Werbelink) für Frauen eine wirklich gute Lektüre geschaffen, um sich rundum mit allen Themen auseinanderzusetzen. Sie trifft es perfekt auf den Punkt, mit ihrem Credo „Frauen sind keine kleinen Männer“.
Und genau darum geht es! Frauen müssen anders trainieren. Und es geht nicht per se darum, zu sagen, sie müssen weniger trainieren. Sondern darum zu sagen, wie muss eine Frau trainieren, damit es wirklich effizient ist. Und welche anderen Faktoren müssen berücksichtigt werden.
Lea kannst du uns bitte das RedS Syndrom noch ausführlich beschreiben?
Das RedS Syndrom steht für einen relativen Energiemangel durch Sport. Dem Körper fehlt dabei Energie, weil durch den Sport mehr Kalorien verbraucht werden, als zugeführt wird. Besonders spannend ist hierbei, dass es nichts ändert, ob man am Ruhetag entsprechend mehr isst. Was besonders bei Frauen zählt, sind die Stunden der Unterversorgung auf dem Rad und unmittelbar danach. Was diesen Effekt noch verstärkt, ist eine Kohlenhydratarme Kost “Low Carb”. Dadurch können die Kohlenhydratspeicher (Glykogen) im Körper nicht ausreichend aufgefüllt werden und die Mangelsituation verschärft sich bei der nächsten Trainingseinheit.
Die Hormonproduktion für die Fortpflanzung weicht dann den “lebenserhaltenden Maßnahmen” im Körper und wird kontinuierlich reduziert. Bekommt der Körper in diesem Zustand etwas zu Essen, speichert er es für die nächste Hungersituation in Form von Fett (Training ohne Verpflegung). Das, in Zusammenhang mit Stresshormonen und dem reduzierten Grundumsatz führt zu Gewichtszunahme bei Leistungsabfall und einem Ausbleiben der Periode. Das Ganze nennt man RedS.
Zu den psychologischen Folgen von RedS gehören verminderte Trainingsmotivation, erhöhte Reizbarkeit, beeinträchtigtes Urteilsvermögen, verminderte Konzentration bis hin zu Depressionen. Zu den körperlichen Auswirkungen gehören eine verminderte Muskelkraft, eine beeinträchtigte Ausdauerleistung, eine verminderte Anpassung an Trainingsreize und Regeneration, eine beeinträchtigte Koordination, verminderte Glykogenspeicher, Schlafstörungen, Infektanfälligkeit und ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass es RedS auch bei Männern gibt, aber dass Frauen die Auswirkungen bereits früher und in größerem Ausmaß zu spüren bekommen.
Um die letzten Kilos abzunehmen, entschied ich mich, das Frühstück wegzulassen. Ich wollte meine Fettspeicher endlich zwingen, das Fett loszuwerden. Funktioniert hat es nicht, eher das Gegenteil war der Fall. Ich war schlecht gelaunt, kraftlos und die Periode blieb über Monate aus.
Lea, diesen Fehler habe sicherlich nicht nur ich gemacht. Was wäre dein Ratschlag für diese Situation?
Diesen Fehler hat vermutlich fast jede(r) Sportler(in) schon einmal gemacht, denn es erscheint zunächst logisch. Doch die Krux ist: Dadurch sinkt der Energieverbrauch. Der Körper kann sich im Training nicht mehr intensiv belasten und erholt sich nicht mehr ausreichend. Die Energie, die er durch Nahrungsaufnahme zur Verfügung gestellt bekommt, speichert er in Fett. Der erste Schritt aus diesem Teufelskreis ist eine gute Verpflegung im Training besonders mit Kohlenhydraten. Der zweite Schritt ist eine ausreichend große Menge an Kohlenhydraten in der Alltagsernährung – besonders an Trainingstagen und bei intensiven Einheiten auch am Vorabend. Man kann diesen Prozess unterstützen, in dem man Nüchterntraining erstmal komplett streicht. Das fiese: Je länger die Zeit mit RedS war, desto wahrscheinlicher ist es, dass man erstmal zunimmt. Es dauert, bis der Körper wieder “Vertrauen in die Sicherstellung der Versorgungslage” bekommt. Es wird sich aber bereits nach den ersten Wochen eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit bemerkbar machen. Bis die Periode wieder einsetzt, kann es je nach Ausmaß jedoch Jahre dauern.
Wie bereits von Lea angemerkt, gibt es für das Zurückkehren zum Normalzustand kein Patentrezept. Und jedem der in dieser Situation steckt, möchte ich ans Herz legen, dem Körper Zeit zu geben. Das ist leider oftmals nicht mit einer Pause von 4 Wochen getan. Bei mir dauerte es ca. 1 Jahr, den Körper ins Übertraining zu reiten, und 2 Jahre, um den Körper hier wieder raus zu ziehen.
Um das Thema jetzt mit einer positiven Message abzuschließen, eine Rückkehr ist auf jeden Fall möglich!
Sobald du mit deinem Körper trainierst und arbeitest, ist alles möglich.
Genau aus diesem Grund, möchten Lea und ich euch in diesem Thema mit Input versorgen, um euch diesen Weg zu ersparen. Schreibt eure Fragen in die Kommentare, dann können wir diese in der Fortsetzung mit aufnehmen.