Kälte, Schnee und Eisglätte sind der natürliche Feind eines jeden Radfahrers. Aber wer im Sommer eine gute Form haben möchte, der muss auch in der kalten Jahreszeit ran. Doch wie sollte ein Training im Winter aussehen? Worauf sollte denn ein Training im Winter abzielen? Richtig – auf die Grundlage!
Grundlage – was ist das?
Was aber ist überhaupt die “Grundlage”? Alle sprechen darüber, doch was steckt überhaupt genau dahinter? Dazu muss man ein wenig tiefer in den Körper hineinschauen. Wie im letzten Beitrag schon deutlich gemacht, funktioniert unser Körper ähnlich wie ein gewöhnlicher Automotor. Dieser benötigt im Grunde zwei Dinge, um Energie in Form einer kleinen Explosion zu erzeugen, die den Kolben antreibt und damit das Auto vorwärts bringt. Zum einen Kraftstoff (Diesel, Super oder Gas), zum anderen Sauerstoff. Diese beiden Zutaten allein sind aber noch nicht der Schlüssel für hohe Geschwindigkeiten, erst das Gemisch aus beiden kann eine Explosion auslösen.
Der menschliche Körper hat zwei verschiedene Kraftstoffe zur Verfügung: die Fette und die Kohlenhydrate. Im letzten Beitrag wurden die im Körper gespeicherten Mengen an Fetten und Kohlenhydraten dargestellt und auch die Stoffwechselwege. Fette haben wir quasi in unendlichen Mengen zur Verfügung. Kohlenhydrate sind zwar schneller verfügbar, dafür aber auch recht schnell aufgebraucht.
Gezieltes Training
Insofern macht es Sinn, durch ein gezieltes Training dafür zu sorgen, dass der Körper auch unter höheren Belastungen in der Lage ist, noch Fette zu verbrennen, um die Kohlenhydratspeicher zu schonen und genau dieses Training nennt man “Grundlagentraining”. Im Grunde stellt ein Grundlagentraining ein Fettverbrennungstraining dar – das Fundament, auf das ein stabiles Gebilde in Form einer guten Leistungsfähigkeit gesetzt werden kann.
Das Grundlagentraining setzt voraus, dass man mit niedrigen Intensitäten in Bereichen trainiert, in denen man eben auch viele Fette verbrennt, um den Körper dazu zu bringen, seine aeroben Kapazitäten zu verbessern. Denn genauso wie der Automotor, benötigt die Muskelzelle Sauerstoff, um Fette “verstoffwechseln” zu können.
Trainiert man zu intensiv, verbrennt man eben nur oder anteilig mehr Kohlenhydrate, so dass der Körper auch nicht dazu veranlasst wird, auf die wertvollen Fette zurückzugreifen. In der Praxis sieht es dann so aus, dass man auch im Winter versuchen sollte, möglichst lange Ausfahrten (>90min) in niedrigen Intensitätsbereichen zu realisieren.
Viele Radsportler greifen dann auf Ihr Crossbike zurück oder ziehen sich Crossbereifung auf ihr normales Rennrad, um auch bei widrigen Straßenverhältnissen sicher unterwegs zu sein. Bei Minusgraden erübrigt sich das Thema schnelles Radfahren von alleine, denn der Fahrtwind und damit die Kälte, die auf den Körper wirkt, steigt überproportional mit der Geschwindigkeit. Grundvoraussetzung sind natürlich hochwertige Textilien, allem voran Handschuhe und Überschuhe, damit die Finger und Zehen nicht erfrieren.
Grundlagen Indoor trainieren
Wem das zu kalt ist, der greift dann gerne auf das Rollentraining zu Hause zurück. Eine tolle Sache, zumal es mittlerweile computergesteuerte Rollentrainer gibt, die via Bildschirm die persönliche Lieblingsstrecken ins Wohnzimmer bringen. Doch beim Rollentraining ist Vorsicht geboten: Nicht selten wird auf der Rolle viel zu intensiv trainiert. Warum? In den meisten Fällen fehlt die Lust, 90 Minuten und länger auf der Rolle bei niedrigen Herzfrequenzen zu fahren. So wird dann meist eine kürzere Einheit gefahren, dafür aber sehr intensiv oder sie wird mit Intervallen gespickt. So ist zwar das Training kurzweiliger, aber dafür geht der Effekt auf die Grundlage verloren.
Das gleiche Problem tut sich auf bei Spinning – oder Indoorcycling – Kursen im Fitness-Studio. Da der Trainer vorgibt, mit welchen Intensitäten gefahren werden soll und der Teilnehmer ja auch alles mitfahren möchte, passiert es nicht selten, dass die 60minütige Einheit zu einem wahren Fiasko für den Energiestoffwechsel wird. Durchschnittsherzfrequenzen im Bereich des Maximalpulses sind ein häufig zu beobachtendes Phänomen.
Wo bleibt da das eigentliche Ziel, nämlich den Winter dafür zu nutzen, seine Grundlage zu verbessern? Sprichwörtlich auf der Strecke. Spinning oder Indoorcycling-Kurse sind grundsätzlich eine tolle Sache, aber am besten nimmt man ein Rad in der letzten Reihe und lässt die Schraube ganz weit aufgedreht.
Die meisten greifen im Winter auf das Mountainbike zurück und tun sich damit meistens keinen großen Gefallen, jedenfalls nicht zur Verbesserung der Grundlage. Wenn das Mountainbike nicht auf der Straße gefahren werden will – und das will kaum jemand – wird im Gelände gefahren. Leider mit dem Effekt, dass die Intensitäten nicht kontrollierbar sind und häufig auch in Bereich der maximalen Herzfrequenz, also weit weg vom eigentlichen Grundlagenbereich. Also, wenn Mountainbike im Winter, dann aber auch mal auf die Straße!
Und Achtung bei der oft vom Pulsmesser ausgegebenen durchschnittlichen Herzfrequenz. Die durchschnittliche Herzfrequenz gibt lediglich den Durchschnitt über die gesamte Strecke wider. Beim Grundlagentraining zielt man auf einen konstanten Puls ab. Wenn der Durchschnittspuls aber durch ständiges Bergauf-/Abfahren zustande gekommen ist, kann es sein, dass am Ende im Schnitt tatsächlich der angestrebte Bereich auf der Uhr ablesbar ist, aber keine einzige Minute im richtigen Bereich gefahren wurde. Das ist kein Grundlagentraining!
Niedrige Intensitäten
Aber was heißt denn nun “niedrige Intensitäten”? – Diese Frage ist nicht allgemeingültig zu beantworten, so dass man nicht einfach sagen kann: Bei X% der HFmax o.ä., denn jeder Mensch ist anders und jeder Mensch hat einen anders funktionierenden Stoffwechsel. So ist es ratsam, sich über eine Leistungsdiagnostik eine genaue Vorstellung davon zu verschaffen, wie es individuell in seinem Körper unter Belastung aussieht. Da gibt es neue Methoden, die den individuellen Energiestoffwechsel über eine Atemgasanalyse (Spiroergometrie) grafisch darstellen können. So lassen sich Defizite schnell aufdecken und entsprechende Trainingsempfehlungen inkl. der individuellen Trainingsbereiche darstellen (siehe Abb. 1 und Abb.2).
Wie auch immer das Grundlagentraining im Winter gestaltet wird, eins ist klar: Ohne ein gutes Fundament baut man kein hohes, stabiles Haus, das nicht beim ersten starken Sturm wieder in sich zusammen fällt. Wer im Winter dieses Fundament nicht schafft, wird es schwer haben, eine gute Wettkampfform aufzubauen und diese über die lange Saison noch zu verbessern. Eine fehlende Grundlage ist in den meisten Fällen das Problem, weshalb Radsportler während der Saison ihrer Form “hinterherfahren”.
Abb.1: Ein Radsportler mit einem niedrigen Grundlagenniveau. Die grüne Kurve zeigt den Fettstoffwechsel, die rote Kurve den Kohlenhydratstoffwechsel. Bei niedrigsten Belastungen schon deutlich mehr Kohlenhydratstoffwechsel.
Abb.2: Ein Radsportler mit einer sehr guten Grundlage, sehr hohe Fettverbrennung bis in hohe Intensitäten hinein, bei gleichzeitiger geringer Verstoffwechslung von Kohlenhydraten.
Titelbild ©: imageegami – stock.adobe.com
Wie ist denn die Sicht auf SweetSpot Training im Winter? Gerade in TrainerRoad oder anderen Powermetergetriebenen Literaturressourcen (Coggan, Friel, Allen) wird gerade ein gesunder Mix aus SweetSpot mit sehr wenigen Vo2Max Einheiten als wissenschaftlich fundiert präsentiert.
Natürlich hat der klassische Ansatz der hier beschrieben wird Erfolg.
Wie steht der Autor zu unterstützendem Krafttraining (Squats, Deadlifts und Stabiübungen)?
Gerade in meiner Lebenssituation mit kleinen Kindern und einem Job habe ich für die klassische Grundlage im Winter leider keine Zeit und versuche dieses Jahr mal die Tacx Neo + TrainerRoad Kombination.
Hey, echt ein super Artikel! Am aller meisten lieben wir aber Eure typischen Bildchen mit den frechen Sprüchen…
Unser „Fitnessproblem“ im Winter lösen wir indem wir auch im Winter mit dem Bike in die Arbeit fahren, ja, manchmal auch durch Schnee und Eis. Ansonsten geht es des öfteren zum Freeriden oder auch mal auf Skitour…
Wir würden uns freuen wenn Du/Ihr auch mal bei uns auf dem Blog vorbeischaut!
Grüße, Freeride Inc. Austria
Hallo Marc, steht oben >90min 🙂
Gaaaaaanz wichtig ist vor allem Anderen, die Gefahr durch Glatteis nicht zu unterschätzen. So viel Spaß es auch macht, bei Kälte und Sonnenschein auf Schnee oder trockener Straße draußen zu fahren, reicht eine kleine Stelle Glatteis und man liegt.
Du weißt, dass Du etwas übersehen hast, wenn Du mit dem Gesicht im Schnee liegst… (selbst mehrfach getestet und dazugelernt)
Bei Glatteis helfen ausschließlich Spikes. Alle anderen Reifen und Profile mögen bei Schnee oder Matsch okay sein, bei Eis haften die alle nicht.
Hallo,
ein interessanter Artikel. Ich persönlich tue mich schwer damit im Grundlagenbereich zu fahren und versuche durch Rollentraining und ein paar Fahrten auf der Straße oder im Gelände über den Winter zu kommen. Wie lange sollte denn eine Grundlageneinheit mindestens dauern?
Grüße
Marc