Bitte nicht mit dickem Gang, liebe Radsportler!

Im Radsport wird seit Jahrzehnten das Kraftausdauertraining auf dem Rad als Trainingsmethode weit verbreitet. In manchen Büchern zum Radsporttraining wird dem Kraftausdauertraining sogar ein eigener Trainingsbereich zugeschrieben. Je nach Autor soll das so genannte K3 Training knapp unterhalb oder an und über der Individuellen Anaeroben Schwelle (IAS) statt. Steigert man seine Kraftausdauer, wenn man mit einem „schweren“ Gang und niedriger Trittfrequenz bergauf oder gegen den Wind fährt? Sicher nicht! Diese Frage habe ich ausführlich in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Leistungssport“ diskutiert.

Aber was bringt K3-Training?

Immer wieder hört man von Athleten im persönlichen Gespräch, dass sie das Gefühl haben, dass K3 etwas bringt. Klaro – es handelt sich um eine Art Schwellentraining und als solches wirkt es auch. Ob diese Trainingsform unbedingt mit einem „dicken“ Gang absolviert werden muss, ist die Frage. Man könnte auch argumentieren, dass sich durch die langsame Bewegung das Zusammenspiel der Muskulatur optimieren lässt. Während einer Tretbewegung sind in der Abwärtsbewegung der Beinbeuger und die Gesäßmuskulatur als „Strecker“ in der Hüfte aktiv. Ob K3 hier explizit eine Möglichkeit ist, das Zusammenspiel zu verbessern? Ich denke, dass einbeinige Trainingsübungen viel effektiver sind und als „Motorik-Training“ in jeden Wintertrainingsplan gehören. Das langsame Treten mit einem dicken Gang ist jedoch sehr unspezifisch und weit von der motorischen Zielbelastung in einem Rennen weg. Ich halte K3 und Kraftausdauertraining für eine sehr unfunktionelle Übungsform.

Vorsicht Knie!

Beim K3 Training treten sehr hohe Belastungen im Knie auf – gerade, wenn Sie im Rumpf oder in der „tiefen“ Gesäßmuskulatur nicht stabil sind, können Überlastungen oder Reizzustände im Knie entstehen. So mancher Nachwuchssportler musste das schon schmerzhaft erleben.

Aber wie trainieren wir dann?

Die Vielfalt von Intervalltraining und Schwellentraining ist nahezu unerschöpflich! Ein spezielles Ktaftausdauertraining brauchen wir nicht.

Im Triathlon und in anderen Sportarten findet man immer noch sehr häufig Definitionen und Beschreibungen zum Kraftausdauertraining, die sportpraktische Erscheinungsformen der Kraft zu Grunde legen und sich nicht an den wissenschaftlich basierten Strukturierungsmodellen orientieren.

Über den Begriff der Kraftausdauer herrscht oft Verwirrung

Wenn Radfahrer oder Triathleten davon sprechen, ihre Kraft auf dem Rad verbessern zu wollen, ist meist von einem alten Trainingsmythos die Rede: Es wird angenommen, dass die Kraftfähigkeit auf dem Fahrrad verbessert wird, wenn der Sportler mit einem möglichst schweren Gang bei gleichzeitig langsamer Umdrehungszahl bergan fährt. Grundlage dieser Trainingsform sind der gefühlt hohe Widerstand und dazugehörige biomechanische Berechungen. Schon die grundlegenden Definitionen dieser Trainingsform widersprechen jedoch den modernen sportwissenschaftlichen Einordnungen der Kraftfähigkeit.

Kraftausdauer – zwischen Annahmen und Wirklichkeit

Die Kraftausdauer (Was ist eigentlich „Kraftausdauer“?) nimmt im Strukturmodell der Kraftfähigkeiten eine besondere Stellung ein. Sie muss in der Definition scharf von Ausdauerleistungen abgegrenzt werden. Nur so können Leistungen, die über die Kraftkomponenten bestimmt werden, von solchen unterschieden werden, die primär von der Ausdauerkomponente beeinfl usst werden. Leider hat sich diese Sichtweise in der Sportpraxis nicht durchgesetzt. Vielmehr herrscht hier nach wie vor die Ansicht, dass Ausdauerleistungen mit erhöhtem Krafteinsatz der Kraftausdauerleistung zuzuordnen sind. Da in diesen Fällen die Kraft jedoch nicht die leistungslimitierende Komponente darstellt und vielmehr die Energiebereitstellung als begrenzender Faktor angesehen werden kann, müssen diese Leistungen uneingeschränkt der Ausdauerleistungsfähigkeit und nicht der Kraftausdauer zugeordnet werden. Wenn es um die Frage geht, wodurch die Kraftausdauer denn determiniert wird, müssen wir nun zunächst einmal festlegen, was eigentlich eine Kraftausdauerleistung beschreibt.

Muskelkraft muss von der Ausdauer getrennt werden

Der Grund, warum wir nach einer Definition für das Beschreiben der Kraftausdauer suchen, liegt darin, dass wir nur bei genauer Kenntnis der zu Grunde liegenden physiologischen Reaktionen auch Trainingsempfehlungen entwickeln können, die Ihre Leistungsfähigkeit nachhaltig verbessern. Hierbei gilt in unserem Fall, dass überhaupt nur dann von der motorischen Eigenschaft Kraft gesprochen werden kann, wenn die zu Grunde liegende Beanspruchung mindestens 50 % Ihres 1er Wiederholungsmaximum (1RM) entspricht. Leistungen mit geringeren Krafteinsätzen sind der Ausdauerleistungsfähigkeit zuzuordnen. Anhand dieser Eingrenzung fallen bereits sehr viele Leistungen aus dem Begriffskanon der Kraftausdauer heraus, da die einzelnen Impulse einfach einen zu geringen Kraftaufwand produzieren, als dass wir überhaupt von der Kraftausdauer sprechen könnten. Um nun in diesem Zusammenhang auch die Ausdauerkomponente abgrenzen zu können, muss eine zeitliche Limitierung in die Definition mit aufgenommen werden. Hier liegt die Grenze bei ca. 2 Minuten, da Kraftausdauerleistungen mit dem geforderten Kraftaufwand allein dem anaeroben Energiebereitstellungsweg zugeordnet werden können.

Gibt es ein aerobes Kraftausdauertraining?

In den Fachpublikationen wird fast durchgängig von der sogenannten „aeroben Kraftausdauer“ gesprochen, wobei immer über das Ausdauertraining mit erhöhten Widerständen gesprochen wird. Dabei zeigt die vorgestellte dimensionsanalytische Abgrenzung der Kraftausdauer, dass es eine solche Fähigkeit nicht geben kann. Das aerobe Kraftausdauertraining ist muskelphysiologisch gesehen immer eine Form des Ausdauertrainings. Beim originären Kraftausdauertraining hingegen spielt die Kraftkomponente eine umso größere Rolle, je näher die zu bewältigende Last am individuellen Kraftmaximum liegt. Bei niedrigeren Lasten spielen zunehmend die Kapazitäten der an der anaeroben Energiegewinnung beteiligten Enzyme die entscheidende Rolle, niemals aber der aerobe Stoffwechselweg. Die Kraftausdauer wird somit beschrieben durch die Summer der zu Grunde liegenden Kraftstöße bzw. der Fähigkeit, die Reduktion der Einzelimpulse möglichst gering zu halten.

Was ist spezifisches Krafttraining?

Im Gegensatz zu den eben beschriebenen Grundvoraussetzungen wird in der Sportpraxis die Annahme vertreten, dass erhöhte Impulse innerhalb der Zielbewegung über einen erhöhten Krafteinsatz bewältigt werden. Darauf basierend wird im Radsport und im Radtraining von Triathleten davon ausgegangen, dass die Kraft auf dem Rad trainiert werden kann. Dabei wird an einem Berg bzw. an einem langen Anstieg ein schwerer Gang gewählt. Mit dieser großen Übersetzung wird bei langsamer Umdrehungszahl bergauf gefahren, aufgrund der Annahme, dass durch den hohen Widerstand die Kraftfähigkeiten trainiert würden. Diese Belastungskonfiguration widerspricht jedoch den modernen Vorstellungen der Struktur der Kraft, da hier ein unterschiedliches Verständnis der Kraftausdauer impliziert wird. Die Wirkungen einer solchen Trainingsform sind zu hinterfragen. Die in der Literatur zum Radtraining oft ausgesprochenen Empfehlungen zum Kraftausdauertraining weichen sowohl in der Bezeichnung als auch in den Trainingsinhalten voneinander ab.(1) Wir stehen an dieser Stelle vor dem Problem, dass die definitorische Abgrenzung der Strukturmodelle zur Kraft den in der Sportpraxis verbreiteten Annahmen entgegen stehen. Eine Lösung kann allein über die Erklärung der möglichen physiologischen Anpassungseffekte geschehen.

Was bringt Ihnen Kraftausdauertraining auf dem Rad?

Die Empfehlungen zum spezifischen Kraftausdauertraining variieren zwischen 75 Sekunden bis hin zu mehreren Stunden Belastungszeit. Der Krafteinsatz liegt bei allen empfohlenen Trainingsbereichen eher niedrig, auch wenn sich subjektiv der Widerstand recht hoch anfühlen mag.(1) Die zentralen Kriterien für ein Kraftausdauertraining werden jedoch verfehlt:

  1. die Intensitäten erreichen nicht die Grenze für Anpassungen im Sinne einer Steigerung der Muskelkraft (50 % 1 RM),
  2. die Belastungsdauer liegt weit über den die Kraftausdauer determinierenden 2 Minuten.

Übliche Konfigurationen für das Kraftausdauertraining mit dem Rad:

 Name Dauer Intensität Autor
 K3 1–5 km 2–3 mmol/L BDR, 2002
 K3 120 Minuten 2–7 mmol/L Lindner, 2005
 Kraftausdauer Stunde aerob Neumann et al. 2005
 Kraftausdauer 3–30 km 3–5 mmol/L Schmidt, 2007

Tab. 1: Verschiedene Formen des „Krafttrainings am Berg“

Besteht ein Zusammenhang zwischen Kraft und Trittfrequenz?

Dass das Training mit dem Fahrrad keine Möglichkeit ist, Ihre Kraftfähigkeiten zu verbessern, verdeutlicht auch eine Untersuchung, in der die maximale Kraftentfaltung von Juniorenrennfahrern gemessen wurde. Dabei wurde die maximale Leistung auf einem Radergometer gemessen, die bei 60, 80, 100 und 120 Umdrehungen pro Minute erreicht werden konnten. Es zeigte sich, dass zwischen der maximalen Beinkraft und der Leistung bei den niedrigen Trittfrequenzen kein Zusammenhang besteht, während bei hohen Umdrehungen der Zusammenhang ein großer ist. Das kann daran liegen, dass die höheren Trittfrequenzen im Rennen und im Training die größere Rolle spielen und eine Kraftübertragung bei Intervallen und Antritten gerade in diesen Bereichen gelingt.(2) Der Nutzen eines Trainings in diesen niedrigen Umdrehungsbereichen muss man aber weiter hinterfragen.

Steigern sie Ihre Kraft im Kraftraum

Wenn es nun um die Fragestellung geht, wie Radsportler oder Triathleten Ihre Kraft verbessern können, muss die Antwort lauten, dass Anpassungen der Komponenten, die Ihre Kraftfähigkeiten beeinflussen, allein über ein Training im Kraftraum mit Hanteln oder an Maschinen erfolgen kann. Hierbei können Sie Anpassungseffekte erzielen, die direkte Auswirkungen auf Ihre Leistungsfähigkeit haben. Antritte, schnelle Fahrten und Berganfahrten werden unmittelbar durch ein gesteigertes Kraftniveau beeinfl usst. Hinzu kommt, dass die Kräfte durch eine starke Muskulatur optimal auf Ihr Sportgerät Fahrrad übertragen werden können. Trainieren Sie am besten ganzjährig im Kraftraum. In den Sommermonaten können Sie die Umfänge im Vergleich zum Winter jedoch aufgrund der steigenden Ausdauerumfänge etwas reduzieren. Aber 1- bis 2-mal pro Woche sollten Sie ein ca. 1-stündiges Krafttraining mit hohen Lasten einplanen.

Trainingstipps:

  • Trainieren Sie Bergauffahrten mit rennspezifischen Trittfrequenzen.
  • Intervalle mit hohen Trittfrequenzen führen zu höheren Leistungen als das Training mit niedrigen Trittfrequenzen.
  • Krafttraining sollten Sie im Kraftraum mit Gewichten und höheren Lasten absolvieren.
  • Periodisieren Sie Ihr Krafttraining und verändern Sie entsprechend Ihre Trainingsmethoden.

Quellenangaben:

  1. Wagner, Mühlenhoff, Sandig, 2010, Krafttraining im Radsport, München: Elsevier
  2. Isokinetics and Exercise Science, 2008, Bd. 16, (3), S. 189

Fachsprache

  • Kraftausdauer – bezeichnet die Fähigkeit Ihres neuromuskulären Systems, eine möglichst große Impulssumme in einer gegebenen Zeit – längstens 2 Minuten – gegen Widerstände zu erzeugen, die größer als 50 % der Maximalkraft sein müssen um dabei die Reduktion der produzierten Impulse im Verlauf der Belastung möglichst gering zu halten.
  • Impuls – ein Impuls beschreibt im Zusammenhang mit dem Training einen Kraftstoß, den ein Muskel oder mehrere Muskeln im Zusammenspiel erzeugen können.
  • Dimensionsalaytisches Strukturmodell – beschreibt die physiologischen Einflussgrößen auf das Kraftverhalten.

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DENNIS SANDIG
Dennis war Sportler mit Herzblut und begann seine sportliche Laufbahn zunächst komplex mit der Leichtathletik. Als Spross einer Radsportfamilie entdeckte der Neffe von Didi Thurau früh seine Liebe zum Rennrad. Krafttraining und Eisschnellauf brachten den nötigen Ausgleich. Nach dem Studium der Sportwissenschaften, Sportmedizin und Psychologie arbeitete er an der Universität des Saarlandes und später 3 Jahre am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Nach der Zeit als Trainer beim Schweizer Pro Continental Team Roth wechselte er als Referent für Bildung zur Deutschen Triathlon Union e.V.