Qualität im Radtraining wird oft mit Intensität gleichgesetzt. Dabei übersieht man gerne, dass ein Trainingsreiz eine bestimmte Schwelle überschreiten muss, um wirksam zu sein. Trittst du zu hart oder zu locker, erzielst du möglicherweise die falsche Wirkung.

Wenn wir über Grundlagen im Radsport reden, leuchtet es viele Athleten schnell ein, dass man nicht zu hart fahren sollte. Grundlagentraining macht etwa 80-90 Prozent des Ausdauertrainings aus. Ziel ist es, den aeroben Stoffwechsel zu entwickeln. 

Trainingswirksamer Reiz

Dafür sollte ich möglichst viel Zeit in einem Trainingsbereich trainieren, welcher der gewünschten Stoffwechselsituation entspricht. Möchte ich beispielsweise meinen Fettstoffwechsel entwickeln, sollte ich in der Trainingszone 2 bzw. im Grundlagenbereich 1 (GA1) trainieren. 

Das entspricht einer moderaten Intensität von etwa 56-75 Prozent deiner Schwellenleistung (FTP). In dieser Trainingszone hat deiner Körper ausreichend Zeit und Sauerstoff zur Verfügung, um möglichst viel Fett zu verbrennen. An diesen Trainingsreiz passt sich der Körper an, indem er bspw. mehr Mitochondrien (Kraftwerke der Zelle) oder mehr Enzyme für den Fettstoffwechsel bildet. 

Trainierst du dagegen intensiver, übernimmt mit zunehmender Leistung der Kohlenhydratstoffwechsel die Energiebereitstellung. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Alle Stoffwechselsysteme im Körper arbeiten gleichzeitig. Je nach Intensität verschiebt sich aber der Anteil der einzelnen Systeme an der Energiebereitstellung. 

Unterhalb der anaeroben Schwelle (FTP) dominiert der aerobe Stoffwechsel, weil ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht. Oberhalb der anaeroben Schwelle reicht der Sauerstoff nicht mehr aus und die anaeroben Stoffwechselwege übernehmen den Mehrbedarf an Energie. Die Übergänge sind fließend.

Verschiedene Trainingsbereiche im Radsport

Dennoch macht es Sinn, für dein Training verschiedene Bereiche festzulegen. Trainierst du gezielt in bestimmten Bereichen, kannst du abschätzen, wie sich der Körper daran anpasst. Bleiben wir mal beim Beispiel des Grundlagentraining: Trainierst du viel im GA1-Bereich, dann entwickelt sich dein Fettstoffwechsel.

Bist du dagegen ständig etwas flotter unterwegs, dann verschiebt sich der Trainingseffekt. Dem GA21-Bereich schließt dich der GA2-Bereich an. Die Energiebereitstellung ist auch hier noch überwiegend aerob, aber es werden anteilig mehr Kohlenhydrate als Fett verbrannt. Die Anpassung an diesen Trainingsreiz ändert sich: Trainierst du viel im GA2-Bereich, bildet dein Körper vermehr Enzyme für den Kohlenhydrat-Stoffwechsel.

Das muss nicht falsch sein, aber du solltest dir über die Wirkung des jeweiligen Trainings bewusst sein. Wenn du dein Training planst, solltest du dich bei jeder Einheit fragen, was du damit eigentlich bezwecken möchtest. 

Qualität bekommt dein Training dann bei der Umsetzung. Steht eine lange GA1-Fahrt auf dem Plan, dann solltest du auch möglichst viel Trainingszeit in dieser Zone verbringen. Wenn du dir deine Leistungsauswertung anschaust, dann bekommst du eine gute Übersicht, ob dir das gelungen ist. 

Rollentraining-Workout

Straße vs. Rollentrainer

Natürlich kannst du das auf der Straße nicht 1:1 umsetzen, wie etwa auf dem Rollentrainer. Aber der Anteil intensiver Leistung sollte möglichst gering sein, um den gewünschten Trainingsreiz nicht zu verfälschen. 

Soweit so gut. Ich denke, dass ist soweit auch gut nachvollziehbar. Dagegen machen sich viele Radfahrer kaum Gedanken darüber, was passiert, wenn man sich unterhalb der Zone 2 belastet.

Der GA1-Bereich ist nämlich nicht der erste Trainingsbereich, sondern der zweite. Eine Belastung unterhalb von GA1 fällt in den Bereich Regeneration und Kompensation (Rekom). Im eigentlichen Sinne ist das aber gar kein Trainingsbereich. Mit Belastung im Rekom kannst du dich aktiv erholen und etwas für deine Regeneration tun, aber diese Zeit ist nicht trainingswirksam.  

Obwohl du auch beim gemütlichen Fahren Kalorien verbrauchst, reicht der Reiz nicht aus, dass sich dein Körper anpasst. In der Sportwissenschaft reden wir von einem überschwelligen Trainingsreiz, wenn es um Anpassung und Trainingseffekte geht.

Vereinfacht gesprochen, musst du deinen Körper schon etwas fordern, wenn du fitter werden willst. Eine gemütliche Picknick-Tour am Sonntag reicht dafür nicht aus. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, wie schnell du fährst. Entscheidend ist einzig, wie viel Leistung du tatsächlich aufs Pedal bringst.

Junkmiles vermeiden – mehr Qualität im Radtraining

Im vorliegenden Beispiel haben wir eine recht typische Leistungsverteilung für eine Gruppenausfahrt. Im Grunde ist das nichts Halbes und nichts Ganzes. Was man in der Auswertung Leistung nach Zonen jedoch gut sehen kann, ist der hohe Anteil in Zone 1. Zirka 35 der Trainingszeit entfällt auf den Rekom-bereich und ist damit nicht trainingswirksam. 

Wir sprechen hier auch von Junkmiles. Du hast zwar diese Zeit auf dem Sattel verbracht, aber sie macht dich nicht fitter. Je nach Streckenauswahl lässt es sich auf der Straße zwar nicht vermeiden, dass du ein paar Leertret-Zeiten sammelst, aber mit rund 35 Prozent war das in diesem Fall einfach zu viel. 

Um Junkmiles zu vermeiden, solltest du versuchen, dass weniger als 20 Prozent der Trainingszeit auf den Rekom-Bereich entfällt. Das ist in Gruppenfahrten nicht immer ganz so leicht umzusetzen, aber vielleicht achtest du mal darauf, wenn du das nächste Mal eine lange Tour fährst.

Vorgaben fürs Grundlagentraining

Entscheidend für eine qualitativ gute Grundlageneinheit ist eine möglichst gleichmäßige Belastung. Wir reden hier gerne von Steady-Pace, wobei damit eben nicht eine möglichst gleichmäßige Geschwindigkeit gemeint ist, sondern eine gleichmäßige Leistungsabgabe.

Für deinen GA1-Bereich hast du ja eine große Vorgabe. Nehmen wir mal an, dein FTP liegt aktuell bei 250 Watt. Dann sollte dein GA1-Bereich grob zwischen 140 und 187 Watt (56-75 Prozent deiner FTP) liegen. 

Statt am oberen oder unteren Ende zu trainieren, würde man sich für eine lockere Grundlagenfahrt etwa auf 60-70 Prozent orientieren. Deine Trainingsvorgabe lautet also 150-175 Watt. Jetzt versuchst du bei gleichbleibender Tretfrequenz deine Leistung konstant in diesem Bereich zu halten. 

Auf der Rolle gelingt das noch recht einfach, aber auf der Straße wird die Leistung gewaltig springen. Vor allem, wenn du dir diese sekundengenau auf deinem Tacho anzeigen lässt.

Deshalb empfehle ich meinen Athleten, die Leistung auf 3s-Durchschnitt zu stellen. Dann werden die Spitzen etwas geglättet und die Werte springen nicht ganz so doll auf und ab. Ganz vermeiden kannst du das aber nicht. Mit der Zeit entwickelst du aber ein Gefühl dafür, ob die Leistung in deine Vorgabe passt.

Junkmiles vermeiden – mehr Qualität im Radtraining
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Gleichmäßiges Fahren erfordert viel Schalten

Damit du mit möglichst gleichmäßiger Pace fahren kannst, solltest du deine Tretfrequenz konstant halten. Weichen deine Wattwerte aufgrund der Fahrbahnbeschaffenheit, Gefälle oder Wind aus dem Zielbereich ab, dann schaltest du, bis du die Vorgaben aus Pace und Tretfrequenz wieder erfüllst. 

Fährst du im Flachen los, dann wählst du einen Gang, bei dem du die Wattvorgaben bspw. bei 80-90 Umdrehungen pro Minuten treten kannst. Steigt die Straße leicht an, dann steigt auch gleich deine 3-Sekundenleistung. Jetzt schaltest du einen oder zwei Gänge runter und trittst mit gleicher Frequenz weiter. Watt und Trittfrequenz sollten jetzt wieder passen.

Geht es anschließend leicht bergan, dann schaltest du wieder hoch, bis Watt und Frequenz wieder im Zielbereich sind. Steady-Pace erfordert kontinuierliches Schalten. Idealerw3ise hast du dann am Ende deiner Ausfahrt möglichst viel Zeit im GA1-Bereich verbracht.

Daten auswerten

Auf der Straße wirst du aber nie 100 Prozent der Zeit im Zielbereich verbringen, da sich die Bedingungen alle 100m ändern können. Als Maßstab für die Bewertung deiner Trainingsqualität kannst du in der Auswertung deiner Daten die Zeit unterhalb von GA1 heranziehen. 

Jede Minute, die du mit 149 Watt oder weniger gefahren bist, zählt als Junkmile und ist für deinen Trainingseffekt wirkungslos. Summiert sich die Zeit in Zone 1 auf mehr als 20 Prozent, dann hast du hier noch Potenzial, um dein Training effizienter zu gestalten. Je weniger Junkmiles du sammelst, desto effektiver ist dein Training.

Einschränkend muss man allerdings dazu sagen, dass du dabei auch das Streckenprofil berücksichtigen musst. Eine stark profilierte Strecke ist weniger für GA1-Fahrten geeignet, weil sich hier automatisch Leertretzeiten ergeben, wenn du mit starkem Gefälle bergab fährst. 

Wenn möglichst, solltest du dir für dein Grundlagentraining also eine möglichst flache Strecke suchen. Bergige Touren eignen sich dann besser, wenn du mal Intervalle in dein Training einbauen möchtest.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

Tabelle Trainingsbereiche

TrainingsbereichZiel% FTP
Zone 1RekomAktive Erholung< 55
Zone 2GA1Aktivierung Fettstoffwechsel56-75
Zone 3GA2Steigerung ANS / Senkung VLamax76-90
Zone 4SchwelleSteigerung ANS90-105
Zone 5EBSteigerung VO2max106-120
Zone 6WSAAnaerobe Kapazität120-150

Titelbild ©: Superingo – stock.adobe.com

JÖRG BIRKEL
Jörg Birkel lebt und arbeitet seit 2013 auf Mallorca und bietet dort ganzjährig Sportreisen und Trainingslager an. Zuvor hat er an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und mit einem Diplom als Sportwissenschaftler abgeschlossen. Im Anschluss an sein Studium hat sich Jörg als Sportjournalist selbstständig gemacht und über Trainings- und Ernährungsthemen geschrieben. Von 2003 bis 2009 war der passionierte Radfahrer und Fachbuchautor als Dozent an der Deutschen Sporthochschule tätig. Und seit dem 15. Oktober 2020 verstärkt er ilovecycling.de als Redakteur mit seinem Fachwissen.