Tja, wer hätte zum Beginn des Jahres 2017 daran gedacht und geglaubt. Ein Ur-Ostwestfale „wandert“ aus … ausgerechnet an den Bodensee. Natürlich war der Bodensee schon immer ein Begriff und Ziel für mich, aber eher als Tourist und Radsportler. Letztendlich war ich 2007 erstmalig dort und zwar zur EUROBIKE. Es folgte ein weiterer Messebesuch 2008 und dann noch zwei weitere im Jahre 2014 und 2016. Aber dass ich hier mal leben und arbeiten werde, stand für mich nie zur Debatte. Aber wie heisst es doch so schön:
Sag niemals nie!
Nachdem ich 2017 die Chance hatte die Lightweight-Zentrale in Friedrichshafen zu besichtigen, fing die Zukunftsuhr an zu ticken. Erst lies mich der Gedanke an einen eigenen Lightweight-Meilenstein-Laufradsatz nicht los, der letztendlich dann nach nach ein paar Wochen zum nicht mehr zu vermeidenden Kauf führte, bis ich dann auch noch kurze Zeit später ein Jobangebot als Marketingleiter vom Lightweight-Inhaber Erhard Wissler bekam.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was dann in mir vorging. Ich war natürlich hin- und hergerissen und habe viele Stunden mit meiner damaligen Lebensgefährtin darüber debattiert, ob es nun gut oder schlecht ist, dieses Angebot anzunehmen und den Beruf mit meinem Hobby zu verbinden. Wie ihr vielleicht verfolgt habt, habe ich mich für diesen grossen Schritt entschieden. Natürlich war mir nicht wirklich klar, was es bedeutet einen alten Baum wie mich zu verpflanzen.
Der alte Baum wurde verpflanzt
Aber der Entschluss stand fest, am 1. April 2017 wurde der neue Job bei Lightweight in Friedrichshafen pünktlich angetreten. Ich habe natürlich mit Unterstützung des Unternehmens eine Sicherheitsvariante für mich eingebaut und mich für die ersten 6 Monate in einer Ferienwohnung eingemietet. Man will ja nicht gleich alle Verbindungen in die alte Heimat kappen.
Ich brauche sicherlich nicht erwähnen, dass die Bodensee-Region für einen Radsportler unheimlich viele Möglichkeiten bietet und ein wahres Eldorado bedeutet. Nach zwei Wochen hatte ich u.a. auch schon zweimal den Bodensee umrundet und mir den ersten Sonnenbrand eingefangen, während in meiner alten Heimat alle anderen Freunde und Bekannte noch am frieren waren. Ich kam mir vor wie im Urlaub, so viele neue Eindrücke, sowohl beim neuen Job aber auch in der neuen Umgebung. So richtig habe ich das gar nicht registrieren und verarbeiten können. Es war alles noch so unreal. Dort leben und arbeiten wo andere Menschen Urlaub machen … wer wünscht sich das nicht?!?
Schattenseiten des Lebens
Es war alles zu schön um wahr zu sein … so langsam aber sicher bekam ich aber auch die Schattenseiten zu spüren. Der Freundes- und Bekanntenkreis war plötzlich nicht mehr da, soziale Kontakte gab es keine, die Familie mit meinen Kindern weit entfernt und auch die Partnerschaft mit meiner damaligen und langjährigen Lebensgefährtin hat die Entfernung und Trennung auf Dauer nicht überstanden. Und plötzlich steht man ganz alleine da, in einer völlig neuen Umgebung und Lebenssituation. Sicherlich konnte mich mein Radsport-Hobby und auch ilovecycling.de ein wenig von den Sorgen und Nöten ablenken, doch bin ich noch nie so wenig Rad gefahren wie zu der Zeit und habe auch noch nie so wenig geschrieben wie zu der Zeit. 🙁
Im Job lief es dagegen besser, auch wenn die Radsportindustrie kein Zuckerschlecken ist und auch bei Lightweight einige Umstrukturieren in die richtige Richtung stattgefunden haben. So übernahm ich neben meiner Tätigkeit als Marketingleiter auch noch die Vertriebsleitung. Für mich gehört das sowieso immer mehr zuzsammen. Das Eine funktionmiert nicht ohne das Andere. Übrigens an dieser Stelle einmal DANKE für das Vertrauen und die Unterstützung des Inhabers Erhard Wissler. Muss an dieser Stelle ja auch mal geschrieben werden!!!
Es war auch gesundheitlich keine einfache Zeit, auch hier habe ich einige Nackenschläge (Influenza, Vorhofflimmern, etc.) einstecken müssen. Wohnungstechnisch habe ich mich dann im Dezember entschieden, von Meersburg nach Friedrichshafen umzuziehen und nun endgültig meine Wohnung in der alten Heimat Herford aufzugeben. Ich möchte Euch hier gar nicht erzählen, wie schwer es war eine geeignete und auch finanzierbare Wohnung in der Bodenseeregion zu finden. Ein Horrortrip seinesgleichen. Aber es hat zu guter Letzt ja doch noch geklappt und ich bin nach Ettenkirchen (Friedrichshafen) gezogen. Das war letztendlich auch der richtige Schritt, irgendwann muss man sich für das weitere Leben entscheiden und sich auf eine Sache konzentrieren.
Ein paar Monate später kann ich jetzt sagen, ich komme so langsam in der neuen Heimat an, auch wenn mir meine „alten“ Freunde, die Familie, meine beiden Töchter und auch viele RadsportlerInnen sehr fehlen. Aber das Leben geht weiter, man muss halt nur Kontakte halten und pflegen … da muss ich noch an mir arbeiten. Aber ich gelobe Besserung! 😉
Radsport am Bodensee
Ach ja, ich wollte ja auch was zum Radsport schreiben 😉 … ist ja auch ein Radsportblog hier und kein öffentliches Tagebuch von mir.
Natürlich fährt man am Anfang fast immer am Bodensee entlang … der Bodensee-Radweg ist für Neuankömmlinge, Touristen und Auswanderer wie mich die erste Anlaufstelle. Man kann sich am See auch kaum sattsehen und geniesst jeden wenn auch flachen Kilometer mit Blick auf die Alpen, den man dort radeln darf. Aber spätestens wenn ab Pfingsten die Touristenwelle an den Bodensee strömt, wird es fast unmöglich direkt am Bodensee Radsport zu betreiben, oder jedenfalls nicht ohne Risiko für Leib, Seele und Material. An dieser Stelle sei schon einmal erwähnt, dass es auch wunderbare Radfahrstrecken für Rennrad und MTB weiter im Inland gibt, die fast frei vom Tourismus sind.
Als Tourist darf man das!
Schnell wurde von mir auch eine Klingel ans Rennrad montiert, ihr mögt mir diesen Fauxpas bitte verzeihen, aber irgendwann bleibt einem auch vom vielen schreien die Stimme weg … und pfeiffen ist auch nicht meine Spezialität. Es ist aber auch kaum zu glauben, wie sich viele Menschen im Urlaub aufführen und benehmen. Man zweifelt häufig an der Erziehung einiger Mitmenschen oder vielmehr der besagten Touristen. Mit dem Buchungspreis scheinen alle einen Freifahrtschein mitgebucht zu haben … die öffentliche Verkehrsstrasse gehört plötzlich den Fussgängern, die natürlich in voller Familienstärke nebeneinander herlaufen und damit alles versperren. Auch der Hinweis, dass es sich um öffentliche Verkehrsstrassen und/oder einen Radweg handelt, wird wissentlich ignoriert und auch mit Schimpftiraden auf den gemeinen Radsportler dokumentiert und begleitet.
Ich habe häufig den Fussgängern die Frage gestellt, warum man wohl den Bodensee-Radweg Bodensee-Radweg nennt … wenn ich denn vorher mit harrschen Worten darauf hingewiesen wurde, dass ich doch bitte woanders radfahren solle und mehr aufpassen müsse.
Ich mache mir die Welt, so wie sie mir gefällt.
Weicht man dann auf die Verkehrstrasse aus, wird man als Radfahrer natürlich vollkommen übersehen und ignoriert … sieht der gemeine Tourist eine Parklücke, eine Sehenswürdigkeit, oder einen noch unbekannten Berggipfel am Horizont dann wird selbstverständlich nicht geblinkt, sondern sofort abrupt abgebremst, angehalten und abgebogen. Man ist ja schliesslich im Urlaub und dann darf man das selbstverständlich, sollen doch die anderen Leute besser aufpassen. Aber welche Anderen eigentlich, in dem Moment ist der Tourist sozusagen alleine auf dieser Welt und ihm gehört zum vorher abgebuchten Pauschalpreis alles, selbst Regeln und Gesetze werden damit ausser Kraft gesetzt. Auch das Autofahren auf Geh- und Radwegen findet in aller Regelmässigkeit statt … müssen halt die doofen Radfahrer und Fussgänger mal zur Seite springen. Ich frage mich häufig, wo denn die Herren und Frauen GesetzeshüterInnen sind … dafür stehen aber in gefühlt 100 Meter Abständen an fast jeder Verkehrsstrasse am Bodensee Blitzkästen, naja … die öffentlichen Kassen müssen ja auch noch mit dem reichlich vorhandenen Touristengeld gefüllt werden. Gibt es halt ein Spaghettieis weniger, aber darauf komme ich später noch einmal zurück. 😉
Radfahrergruss: Ja oder Nein?
Aber auch die RadfahrerInnen in dieser so schönen Bodenseeregion sind irgendwie anders drauf als bei mir in der alten ostwestfälischen Heimat. Ich war und bin es gewohnt, jeden mir entgegenkommen Radsportler mit einem Nicken, einer Handbewegung oder einem Winken zu grüssen und dann auch zurückgegrüsst zu werden. Seitdem ich am Bodensee lebe und mit dem Rad fahre scheine ich entweder die falschen RadsportlerInnen zu treffen oder mir eine regionstypische Grussformel oder -art entgangen zu sein.
Grüsst man sich hier im Süden Deutschlands anders? Ich habe mir mal die Mühe gemacht und meine letzten Ausfahrten analysiert. Ich bin bei 3 Ausfahrten in der letzten Woche mit etwas über 200 Gesamtkilometern 178 Radsportlern begegnet. Davon haben meinen Gruss sage und schreibe NUR 26 RadsportlerInnen erwidert. Vielleicht fahre ich ja auch nur das falsche Rad, trage die falschen Farben oder sehe so unsympathisch auf dem Rad aus? Könnt Ihr es mir sagen? Ich bin mit meinem Latein am Ende … oder grüsst man hier in der Bodensee-Region ostwestfälische Auswanderer nicht?
Allerdings drohe und kündige ich jetzt schon an, dass ich weiterhin jeden Radsportler und jede Radsportlerin grüssen werde … ob ihr wollt oder nicht!!! 😉 Das habt ihr nun davon! 😉
Ein Nest voller E-Biker(Innen)
Unaufhaltsam ist auch die E-Bike-Welle. Noch nie habe ich sooooooo viele E-BikerInnen auf einen Haufen gesehen wie hier am Bodensee. Fast scheint es so, als ob jeder Tourist sich schon bei der Buchung gleich ein E-Bike mitbestellt. Ich persönlich finde das ja auch „teilweise“ gut … so kommen Menschen zum Radfahren, die ansonsten nur auf dem Sofa gesessen haben oder spazierengegangen sind. Allerdings merkt man leider auch sehr schnell, dass viele der Urlaubs-E-BikerInnen vollkommen mit der Geschwindigkeit und Technik überfordert sind.
Kaum am Urlaubsort angekommen werden schnell die Koffer ins Hotelzimmer oder in die Ferienwohnung verfrachtet und dann geht es auch schon zum Radverleih. Nicht lange schnacken ist angesagt, rein in den Laden, rauf aufs Rad und raus in die grosse weite Radsportwelt. Viele scheinen in einen Rausch der Geschwindigkeit verbunden mit einer Leichtigkeit des Seins zu verfallen, die Umwelt drumherum wird ausgeblendet und Gefahrensituationen werden nicht erkannt oder ernst genommen.
Mit bleibt eine Situation unlöschbar im Gedächtnis. Ein in die Jahre gekommendes Pärchen überholte mich an einer Steigung. Als Erklärung: Ich war wohl an dem Tag bestimmt nicht gut drauf. 😉 Jedenfalls beobachtete ich das Paar weiter. Der Mann war ein wenig forscher unterwegs als die Ehegattin … immer wieder drehte er sich zu seiner Frau um, in derem Windschatten ich mich jetzt den Berg raufquälte … wie gesagt, ich war etwas schlapp an diesem Tag. 😉
Irgendwie ging ihm das alles nicht schnell genug … er hatte ja schliesslichen einen E-Antrieb wie seine Frau ja auch … ich merkte seinen Unmut … sein immer wieder umschauender Blick mit den Worten an seine Frau … „Wo bleibst Du denn, fahr doch schneller, gib mal Gas.“
Kaum hatte er das seiner Frau mit einem Blick nach hinten vorwurfsvoll zugerufen, passierte das Unvermeidliche. Er verlor die Orientierung und hatte vom vielen Kopf umdrehen wohl leichte Schwindelgefühle. Das Ende von diesem kleinen Drama war, dass er schnurgerade in eine mannshohe Hecke fuhr und dort wie eingeparkt steckenblieb. Ein Bild für die Götter … ich musste mich echt zusammenreissen, dass ich nicht angefangen habe zu lachen. Ich bot natürlich sofort meine Hilfe an, während der gute Mann seine perplexe Frau eindeutig für diesen Unfall verantwortlich machte. Es war jetzt an der Zeit für mich weiterzufahren … ich möchte nicht wissen, wie schön die gemeinsame Rückfahrt für die beiden neuen Urlaubs-E-Bike-Radsportler war und ob überhaupt noch eine gemeinsame Ausfahrt stattgefunden hat?!?
Ein weiterer E-Biker beschwerte sich an einem geschlossenen Bahnübergang bei mir mit der überraschenden Aussage … wenn ich ihn das nächste Mal überholen sollte, dann bitte mit verminderter Geschwindigkeit und ein wenig mehr Respekt … versteht ihr, was er meinte?
SPAGHETTI-EIS
Last but not least … viele meiner Follower und Leser wissen es bereits … ich bin süchtig … und zwar nach Spaghettieis. Es ist mittlerweile schon ein regelrechter Kult … und wehe ich poste mal was anderes auf Facebook als ein Spaghettieis … dann gibt es sofort besorgte Nachfragen. Selbst ein Weizenbierbild wird nicht wirklich akzeptiert. Ich habe schon überlegt einen Spaghettieisführer für die Bodenseeregion zu schreiben … denn auch da gibt es immense Unterschiede in Ausführung, Quantität und Qualität. Oder ich stelle einen neuen Blog mit dem Titel „ilovespaghettieis.de“ online, sollte es mit dem Radsport mal nicht mehr so klappen.
Und pssssssst … liest ja hier keiner mit … in dem einen Jahr am Bodensee habe ich doch glatt 4 Kilo zugenommen … aber nicht weitersagen!!! Sind ausserdem sicherlich nur Muskeln! 😉
Fazit:
Auch wenn es nicht einfach hier am Bodensee ist und auch einem ostwestfälischen „Auswanderer“ nicht gerade der rote Teppich ausgerollt wird, gebe ich trotzdem nicht auf … vielleicht lernt man sich ja mal kennen … soziale Kontakte sind herzlich willkommen … innerhalb und ausserhalb des Radsports. Bewerbungen an … na, ihr wisst schon, wie und wo ihr mich finden und kontaktieren könnt. 😉