Jede körperliche Aktivität erfordert in der Muskulatur höchst komplizierte und vor allem perfekt aufeinander abgestimmte Stoffwechselvorgänge, bei denen ein Rad ins andere greifen muss. Diese sind dazu da, dem Muskel die Energie zur Verfügung zu stellen, die er braucht, um die Leistungsfähigkeit während der Belastung aufrecht zu halten. Der Energiebedarf in der Muskulatur steigt infolge der körperlichen Aktivität stark an, so erreicht z.B. ein unter maximaler Geschwindigkeit fahrender (Bahn-)Sprinter eine um mehr als 100-fache Zunahme des Energiebedarfs im Vergleich zum Ruhebedarf.
Energiereiche Verbindungen
Die wichtigste für die Muskulatur nutzbare Energiequelle ist das Adenosin Triphosphat (ATP). Diese energiereiche Verbindung zwischen dem Molekül Adenosin und seinen drei Phosphat-Anhängseln verliert ihre Energie an die Muskulatur, indem während der Muskelkontraktion eins der Phosphatreste abgespalten wird. übrig bleibt ein sog. Adenosin Di Phospat (ADP), also ein Molekül Adenosin mit nur zwei Phosphatresten.
Das ATP ist in der Muskulatur in nur sehr geringen Mengen vorhanden. Ist alles in der Muskulatur gespeicherte ATP aufgebraucht – und das geschieht bereits nach ca. 1-3 Sekunden (!!) maximaler Muskelkontraktionen – benötigt die Muskulatur neues ATP.
Als erste und schnellste Instanz „springt“ das Creatinphosphat (CP) ein, welches ebenfalls in der Muskulatur in relativ geringen Mengen gespeichert ist. Dieses gibt seinen Phosphatrest an das ADP ab, so dass die Muskulatur wieder neues ATP zur Verfügung hat. Dieser Vorgang läuft sehr schnell ab, reicht allerdings nur für sehr kurze Belastungen, da auch der Vorrat an CP in der Muskulatur sehr schnell verbraucht ist. (nach ca. 6-8 Sekunden maximaler Muskelkontraktionen).
Somit wird schnell klar, dass diese Form der Energiegewinnung bei einer Radausfahrt über zwei Stunden und länger kaum eine Rolle spielt. Sie dient in erster Linie sozusagen als Starterbatterie für die ersten Meter, bevor andere Instanzen greifen müssen, um wieder frisches ATP zu erhalten.
An dieser Stelle kommt die Nahrung ins Spiel. Über unser tägliches Essen nehmen wir Fette, Kohlenhydrate (Zucker) und Eiweiße auf, die der Körper aufspalten und in die energetisch nutzbaren Verbindungen ATP und CP umwandeln kann.
Kohlenhydrate
Die Kohlenhydrate spielen eine große Rolle im Energiestoffwechsel, da sie relativ schnell verfügbar sind. Gespeichert werden die Kohlenhydrate nach der Verdauung als Glykogen in der Muskulatur und in der Leber. Die Verstoffwechslung von Glykogen (Glykolyse) geschieht dabei auf zwei unterschiedlichen Arten.
Anaerobe Glykose
Die anaerobe Glykolyse basiert darauf, dass das Glykogen in der Muskulatur aufgespalten wird, ohne dass dazu Sauerstoff benötigt wird. Dieser Umstand erlaubt es der Muskulatur, die Energie sehr schnell verfügbar zu machen, weil die langen Transportwege des Sauerstoffs über die Lunge und Blutbahn in die Muskelzelle wegfallen. Während der schnellen Umwandlung von Glykogen ohne Sauerstoff zu energiereichen Verbindungen (ATP) entsteht ein Stoffwechselprodukt, Laktat. Das Laktat ist das Salz der Milchsäure, das bei steigender Konzentration in der Muskelzelle zur Übersäuerung und damit zu einer schnellen Ermüdung führt. Das Laktat entsteht nur während der anaeroben Glykolyse, also bei keiner anderen Stoffwechselsituation.
Dies ist im Grunde eine eingebaute Sicherung, die dafür sorgt, dass die Muskelzelle vor einer Überbelastung ihre Leistung einstellen muss – ähnlich einer Sicherung im Stromsicherungskasten, die bei überhöhten Stromspannungen auslöst und den Stromkreis unterbricht..
Der Vorteil der anaeroben Glykolyse ist die Schnelligkeit, mit der ATP hergestellt wird. Der Nachteil die o.g. Laktatbildung. Typische Disziplinen, in denen dieser Weg der Energiebereitstellung eingeschlagen wird, sind im Radsport sehr schnelle Passagen, schnelle Antritte nach Kurven, Zielsprints etc…
Aerobe Glykose
Die Kohlenhydrate kennen allerdings noch einen zweiten Weg der Verstoffwechslung, nämlich die Verbrennung unter Beteiligung von Sauerstoff. Dieser Weg erfordert eine gewisse Menge an Sauerstoff in der Muskulatur, wodurch klar wird, dass es bei dieser Art der Energiegewinnung deutlich länger dauert, um eine ausreichende Menge an ATP herzustellen. Jetzt kommen die langen Sauerstofftransportwege als Verzögerer ins Spiel. Aber auch die zusätzliche Komponente Sauerstoff muss in die chemischen Prozesse bei der Umwandlung mit einfließen, was diese verlangsamt.
Das bedeutet wiederum, dass die Intensitäten, in der diese Form der Energiegewinnung vorrangig aktiv ist, deutlich niedriger sein müssen. Der ATP-Bedarf in der Muskulatur darf folglich nicht so hoch sein. Klassische Trainingsformen sind hier sehr schnelle Ausfahrten über 1-2 Stunden, Intervalltrainingseinheiten oder aber auch Rennsituationen. Der zeitliche Rahmen, in dem der (Rad)Sportler unter diesen Voraussetzungen trainieren kann, ist relativ begrenzt. Das liegt an der verhältnismäßig geringen Menge an Glykogen, welches im Muskel und in der Leber gespeichert ist.
Eine hohe Trainings-oder Wettkampfintensität führt zu einem hohen Energiebedarf, der nicht dauerhaft durch Zucker gedeckt werden kann. Wenn die Glykogenspeicher erschöpft sind, kommt es zur Unterzuckerung dem sog.Hungerast. Vorbeugend ist es möglich, während des Trainings oder Wettkampfes Energiegetränke oder Riegel/Gels zuzuführen, um dem Körper den verbrauchten Zucker in Teilen wieder zurückzugeben.
Eiweiße
Eiweiße sind an der Energiebereitstellung nur in ganz geringem Maße beteiligt. Daher spielen Sie für die sportliche Aktivität kaum eine Rolle. Allein bei extrem erschöpfenden Radrennen, wie z.b. der Tour de France oder anderen Rundfahrten, wenn der riesige Energiebedarf über die Nahrung nicht mehr gedeckt werden kann, baut der Körper Eiweiße in Form von Muskulatur ab. Dieser Zustand kommt allerdings einem Verhungerungszustand gleich und stellt eine Notsituation dar, die in jedem Fall zu vermeiden ist.
Ähnliches passiert bei strengen Diäten, wo bewusst auf Nahrung verzichtet wird: der Körper bekommt über einen längeren Zeitraum zu wenig Energie in Form von Fetten und Kohlenhydraten und muss dafür sorgen, dass der Energiebedarf geringer wird, was über den Verlust an Muskelmasse erreicht wird. Folge ist zwangsläufig der Verlust an körperlicher Leistungsfähigkeit.
Fette
Die letzte Möglichkeit der Energiegewinnung geschieht über die Fette. Auch hier spricht man von Verbrennung da – ähnlich wie bei der aeroben Glykolyse – unbedingt Sauerstoff in ausreichender Menge vorhanden sein muss. Ohne Sauerstoff wird kein Fett verbrannt!
Die Fettverbrennung dauert wiederum noch länger, als die aerobe Glykolyse, weshalb diese Form der Energiebereitstellung in erster Linie während Trainingseinheiten im unteren Intensitätsbereich von Bedeutung ist. Der große Vorteil der Fettverbrennung ist allerdings, dass die Fettdepots auch bei schlanken Menschen nahezu unerschöpflich sind. Für den Ausdauersportler ist es also von großer Bedeutung, einen gut trainierten Fettstoffwechsel zu haben, um letztlich eine (hohe) Belastung sehr lange aufrecht halten zu können. Nur auf einem breiten Fundament lässt sich ein hohes Haus bauen.
Die in Sportlerkreisen weit verbreitete Meinung, die Fettverbrennung beginne erst ab einer oder mehr Stunden Radfahren, ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Die dargestellten Vorgänge laufen immer parallel ab, lediglich die Anteile der entsprechenden Systeme verschieben sich.
Bei niedrigen Intensitäten werden anteilig mehr Fette verbrannt, bei höheren Intensitäten steigt der Anteil der Kohlenhydrate. Nun ist es für den Sportler von großer Wichtigkeit, genau zu wissen, wie sich die Stoffwechselsituation bei unterschiedlichen Intensitäten darstellt. Dafür gibt es mittlerweile Methoden in der Leistungsdiagnostik, die über eine Bestimmung der Anteile von Sauerstoff und Kohlendioxid in der Atemluft während einer definierten Belastung eine genaue Darstellung dieser energieliefernden Prozesse möglich macht.
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