Eine Leistungsdiagnostik zielt darauf ab, die individuelle Leistungsfähigkeit eines Radfahrers zu ermitteln. Dadurch gewinnt ein Trainer Aufschluss über den Stoffwechsel seines Athleten und kann das Training optimal auf seine persönlichen Ziele abstimmen.

Die meisten Diagnostiker setzen dabei auf einen Stufentest. Dabei werden verschiedene physiologische Leistungsdaten durch eine Laktatanalyse oder Spirometrie erhoben. Anschließend interpretiert der Diagnostiker die gemessenen Werte. Ziel ist es, die individuelle anaerobe Schwelle zu ermitteln. Von diesem Schwellenwert kann man dann seine jeweiligen Trainingsbereiche ableiten.

ilovecycling.de hat mal eine andere Methode gestestet

„Wir verfolgen da einen anderen Ansatz. Wenn man solide Werte ermittelt, sollte es nicht mehr viel Interpratationsspielraum geben. Entweder sagen mir die Zahlen etwas oder eben nicht“, sagt Björn Geesmann, Geschäftsführer von STAPS. „Die meisten Schwellenmodelle basieren auf einer mathematischen Annahme, wodurch eine Messungenauigkeit von bis zu 10 Prozent auftreten kann. Wenn wir uns bei Tony Martin um 10 Prozent vertun würden, dann reden wir von +/- 40 Watt. Das ist eine Welt im Radsport.“

Die Radsport-Experten von STAPS haben deshalb eine eigene Diagnostik-Methode entwickelt, mit der die individuellen Baustellen des jeweiligen Radsportlers offenbart werden. Statt eines Stufentests besteht die Methodik von STAPS aus zwei verschiedenen Tests, die Erkenntnisse über die unterschiedlichen Stoffwechselwege (anaerobe/aerob) ermöglichen und deren Ergebnisse dann in Relation zueinander gebracht werden. Erst so ergebe sich ein brauchbares Bild, um die Stoffwechselswege darstellen zu können.

STAPS Leistungsdiagnostik und Jörg Lachmann

STAPS kombiniert bei seiner Leistungsdiagnostikmethode einen 15-sekündigen Maximal-Sprint und einen Rampentest auf dem Ergometer, bei dem alle 30 Sekunden 25 Watt mehr Widerstand eingestellt werden. Der Sprinttest dient dazu, die maximale Laktatbildungsrate (VLamax) zu ermitteln, während mit dem Rampentest die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) des Radfahrers bestimmt wird.

STAPS Beratung

Bringt man diese Werte in Relation zueinander, kann man die Leistungsfähigkeit des Stoffwechsels genau einschätzen. Noch entscheidender ist es aber, dass man so die persönlichen Baustellen eines Radsportlers ermitteln kann.

„Die anaerobe Schwelle kann ich beim Radfahrern auch einfacher bestimmen. Wer einen Powermeter am Rad hat, kann mit einem 20-minütigen Zeitfahren auf seine Schwelle schließen. Allerdings weiß ich dann nicht, wie sich die Leistungsfähigkeit zusammensetzt und wie ich diese erhöhe“ sagt Geesmann.

Das sei der entscheidende Vorteil der STAPS-Methode. Durch die VLamax weiß der Diagnostiker, wie verschwenderisch der Athlet mit seinen Kohlenhydratreserven umgeht. Ist die Bildungsrate im 15-Skunden-Sprint zu hoch, dann spricht das dafür, dass der Proband sehr viele Kohlenhydrate verbraucht. Der Fettstoffwechsel spielt bei höheren Intensitäten/submaximalen Belastungen dann eine untergeordnete Rolle. Für einen Sprinter ist das ein gewohntes Bild. Ausdauersportler mit einer hohen Laktatbildungsrate sollten dagegen versuchen, diesen Wert mittelfristig nach unten zu bringen. Das erreicht man dadurch, dass man den Fettstoffwechsel trainiert.

In der Regel werden lange und ruhige Ausfahrten empfohlen, um den Fettstoffwechsel zu verbessern. Das Problem daran: Typische GA1-Ausfahrten sind zum einen zeitintensiv und zum anderen wird dabei außer acht gelassen, dass die Nahrungszufuhr vor und während der Belastung eine entscheidende Rolle spielt.

Die zweite, typische Baustelle von Hobbyradfahrern ist eine zu geringe Sauerstoffaufnahme (VO2max). „Steigere ich meine Sauerstoffaufnahme im Training, dann verbessere ich damit auch meinen Fettstoffwechsel“, sagt Geesmann, „weil dem Körper später auch bei niedrigen Intensitäten mehr Sauerstoff zur Verfügung steht.“

Der persönliche Körperfettanteil kann ebenfalls Optimierungspotenzial bergen. Wer viel in den Bergen unterwegs ist, der wird den Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Fahrtgeschwindigkeit sicherlich schon am eigenen Leib erspürt haben. Der Körperfettanteil ist aber nicht nur in Steigungen leistungslimitierend. Auch die Sauerstoffaufnahme steht in Relation zum Körpergewicht, sodass sich für viele Hobbyradfahrer hier eine dritte Baustelle auftut.

Die von STAPS ermittelten Daten werden dann mit Werten von tausenden Radsportlern aus der eigenen Datenbank abgeglichen, um das Leistungsvermögen realistisch abbilden zu können. Dabei gibt es drei verschiedene Daten-Pools, mit denen die Werte verglichen werden: Profis, Amateure und Hobbysportler.

So erhält der Athlet eine gute Einschätzung, wo er steht und was seine Leistungsfähigkeit limitiert. Auf dieser Basis schreiben dann die Trainer von STAPS individuelle Trainingspläne, um die Leistung gezielt zu verbessern und die jeweiligen Baustellen zu schließen.

STAPS Beratung

Soweit zur Theorie. Wie das in der Praxis aussieht, erfahrt ihr am Beispiel des ilovecycling.de-Redaktionsteams. Die drei Jungs aus dem Team waren alle bei STAPS zur Diagnostik und haben Trainingspläne erhalten.

Anaerobe Schwelle (IANS)

Der ambitionierteste Radsportler im Team ist sicherlich Herausgeber Jörg Lachmann. Sein derzeitiges Trainingspensum spiegelt sich auch in der Leistungsdiagnostik wieder. Jörg hat mit 3,75 Watt/kg den höchsten Schwellenwert im Test erreicht. ilovecycling.de-Redakteur Jörg Birkel lag mit seiner Schwelle bei 2,94 Watt/kg etwas darunter und Volker Poppensieker erreichte im Test mit 2,63 Watt/kg die niedrigste Leistung.

Laktatbildungsrate (VLamax)

Bei der Laktatbildungsrate hatte dagegen Volker mit 0,52 Millimol pro Liter pro Sekunde den besten Wert, während die VLamax von Jörg Birkel bei 0,54 lag. Die höchste Bildungsrate hatte Jörg Lachmann mit 0,62 mmol/l/s, was bei einem ehemaligen Sprinter nicht verwundert. Die physiologische Bandbreite der Laktatbildungsrate liegt zwischen 0,3 und 0,9 mmol/l/s. Volker ist also beim Radfahren etwas sparsamer beim Verbrauch von Kohlenhydraten, aber dennoch heißt es für alle drei, die VLamax mittelfristig zu senken. Der Idealwerte für ein mehrtägiges Etappenrennen wie der Tour Transalp liegt im Bereich von 0,3 bis 0,4 mmol/l/s.

STAPS Auswertung

Sauerstoffaufnahme (VO2max)

Die höchste Sauerstoffaufnahme erzielte Jörg Lachmann. Rund 63,4 Milliliter Sauerstoff konnte er pro Minute und Kilogramm Körpergewicht im maximalen Zustand aufnehmen. Das entspricht einem guten Niveau. Amateur-Radrennfahrer kommen auf Werte über 60 ml/min/kg und die besten Profis sogar auf Werte um 80-90 ml/min/kg. Die Sauerstoffaufnahme von Redakteur Jörg Birkel lag im Test bei 54,3 ml/min/kg und Volker kam auf 48,8 ml/min/kg.

Als Musterbeispiel kann man hier den mehrfachen Zeitfahrweltmeister Tony Martin anführen: Bedingt durch eine sehr hohe Sauerstoffaufnahme und einer extrem niedrigen Laktatbildungsrate erreicht der Radprofi eine sehr hohe anaerobe Schwelle.

Körperfettanteil

Beim Körperfettanteil haben unsere drei Alpenhelden ebenfalls noch Verbesserungspotenzial. Mit 11 Prozent erreichte Jörg Birkel den besten Wert des Trios, während Jörg Lachmann auf 12,5 Prozent und Volker Poppensieker auf 14,3 Prozent kommt. Durch eine Reduzierung des Fettanteils lässt sich bergauf nicht nur Gewicht einsparen, sondern auch die relative Sauerstoffaufnahme optimieren. Ein paar Kilos weniger, wird also keinem der Teilnehmer schaden.

Basierend auf den Testergebnissen hat Sportwissenschaftler Jonas Kraienhorst bei allen drei Athleten die gleichen Baustellen ermittelt. Die vorrangigen Trainingsziele für die Jungs heißen:

  1. Sauerstoffaufnahme erhöhen
  2. Fettanteil optimieren
  3. Laktatbildungsrate senken
JÖRG BIRKEL
Jörg Birkel lebt und arbeitet seit 2013 auf Mallorca und bietet dort ganzjährig Sportreisen und Trainingslager an. Zuvor hat er an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und mit einem Diplom als Sportwissenschaftler abgeschlossen. Im Anschluss an sein Studium hat sich Jörg als Sportjournalist selbstständig gemacht und über Trainings- und Ernährungsthemen geschrieben. Von 2003 bis 2009 war der passionierte Radfahrer und Fachbuchautor als Dozent an der Deutschen Sporthochschule tätig. Und seit dem 15. Oktober 2020 verstärkt er ilovecycling.de als Redakteur mit seinem Fachwissen.