Es war eine kühle, nebelverhangene Halloween-Nacht, als Max, leidenschaftlicher Hobby-Radsportler und selbst ernannter „König der Straße“, sich entschloss, seine abendliche Trainingsrunde zu drehen. Wie jeden Herbst hatte er sein Rennrad mit leuchtenden Reflexaufklebern und einer neuen, superstarken Lampe ausgestattet – „für die maximale Sichtbarkeit“, wie er seinen Freunden erklärte. Doch heute, in dieser gespenstischen Nacht, würde Max die Sichtbarkeit eher für die übernatürlichen Kreaturen benötigen, die ihm begegnen sollten.
Mit einem Grinsen und einer Spur Übermut in den Beinen machte Max sich auf den Weg. „Ein bisschen Nervenkitzel schadet nie“, dachte er. Die Straßen waren leer, nur der Mond und einige Kürbis-Laternen beleuchteten die Szenerie. Schon nach ein paar Kilometern, auf einem abgelegenen Waldweg, bemerkte Max das erste Zeichen, dass diese Nacht anders werden sollte: Ein schwarzer Rabe flog plötzlich neben ihm her, krächzte und drehte dann eine Runde um seinen Helm, als wolle er ihn herausfordern. „Na, hast du heute auch ein Rennen?“, lachte Max. Doch der Rabe war verschwunden, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Max trat kräftiger in die Pedale, um die Gänsehaut abzuschütteln, als ihm plötzlich ein alter Lieferwagen entgegenkam. Er konnte gerade noch ausweichen, doch der Fahrer – ein bleicher Mann mit spitzem Hut und langen Fingernägeln – grinste ihn aus dem Fenster an und rief: „Bleib besser auf deiner Spur, mein Freund, sonst fährst du vielleicht für immer!“ Der Satz hallte in Max’ Kopf nach, während der Van im Nebel verschwand.
Kaum hatte er das verkraftet, sprang aus einem Gebüsch am Straßenrand ein schwarz-gekleideter Jogger hervor, der mit großen, schwankenden Schritten neben ihm herlief. „Was bist du für ein verrückter Typ!“, keuchte Max, doch der Jogger murmelte nur etwas von „ewigem Kreislauf der Läufer und Radler“ und lief einfach weiter – immer exakt im gleichen Tempo wie Max. Als Max schneller trat, lief auch der Jogger schneller, als er langsamer wurde, reduzierte auch der Jogger seine Geschwindigkeit. Schließlich schüttelte Max den Kopf, drehte sich um – und der Jogger war verschwunden, als wäre er nie da gewesen.
Inzwischen war Max reichlich verunsichert. Doch an Umkehren war nicht zu denken – sein Rad war noch vollgetankt mit Energie-Gels und Motivation. Er entschied sich, einfach weiterzufahren. Aber die nächste Herausforderung ließ nicht lange auf sich warten: Vor ihm lag ein leerer Spielplatz, doch plötzlich begannen die Schaukeln wie von Geisterhand zu schwingen. Als Max versuchte, leise vorbeizufahren, hörte er ein Kichern hinter sich, gefolgt von einem Kreischen: „Komm, spiel mit uns! Fahr noch schneller!“ Max beschleunigte schlagartig, spürte dabei die Kälte des Windes in seinem Gesicht und hörte das Lachen der Geisterkinder, das langsam in der Ferne verklang.
Er hatte sich gerade ein wenig entspannt, als er einen Schatten am Straßenrand sah. Eine alte Dame mit Hut und einem Besen in der Hand winkte ihm zu. „Hey, Radfahrer!“, rief sie, „Gib mir doch mal einen kleinen Schubs, mein Besen ist heute aus einem unbekannten Grund schlapp.“ Max traute seinen Ohren nicht und antwortete scherzhaft: „Nur wenn du mir einen Geschwindigkeitszauber gibst!“ Die Hexe grinste nur und murmelte einen unverständlichen Spruch. Max lachte und trat wieder in die Pedale – und stellte plötzlich fest, dass er schneller war als je zuvor. Der Tacho raste nach oben, er war fast unkontrollierbar schnell! „Hilfe!“, rief er, während die Hexe ihm nachwinkte und im Nebel verschwand.
Max raste durch die Dunkelheit, als ob das Schicksal selbst ihn antreiben würde. Schließlich sah er die Lichter seiner Stadt, und zum ersten Mal in dieser Nacht atmete er erleichtert auf. Doch kaum war er auf die vertrauten Straßen abgebogen, bemerkte er, dass hinter ihm ein anderer Radfahrer aufgetaucht war, in einem altmodischen Trikot und mit einem unglaublich lauten, metallischen Klingeln. Der Unbekannte fuhr in unheimlicher Präzision genau neben ihm und sprach kein Wort, nur sein Atem war zu hören – ein tiefes, heiseres Röcheln. Max beschleunigte, doch der Radfahrer hielt problemlos mit, als wäre er ein Schatten, der sich nie abschütteln ließ.
Kurz vor seiner Haustür gab Max alles, was er hatte, sprintete förmlich die letzten Meter und drehte sich um – doch der mysteriöse Radfahrer war verschwunden. Mit klopfendem Herzen schloss er sein Fahrrad ab und stieg die Treppe hinauf. Gerade als er die Tür aufschloss, hörte er hinter sich das laute Klingeln. Der unbekannte Radfahrer stand unten auf der Straße, hob die Hand zum Gruß – und löste sich in Luft auf.
Max, normalerweise ein bodenständiger Typ, stand da, atemlos und verwirrt. Vielleicht war das Training in der Halloween-Nacht doch nicht die beste Idee gewesen… Aber eines war sicher: Dieser Ritt würde noch lange in seinen Erinnerungen bleiben – und die Straßen, die würde er ab jetzt lieber nur noch bei Tageslicht befahren.