
Ein Kommentar von Jörg Lachmann
(Herausgeber von ilovecycling.de)
Ich erinnere mich noch gut an die ersten Eurobike-Jahre – an diese ganz besondere Energie, die man schon beim Betreten der Hallen in Friedrichshafen gespürt hat. Da war Begeisterung, Nähe, Emotion. Da war die Branche unter sich – authentisch, familiär, lebendig.
Heute ist von diesem Gefühl wenig übrig.
Und die aktuelle Entscheidung der beiden wichtigsten Branchenverbände ZIV – Die Fahrradindustrie und Zukunft Fahrrad, ihre Zusammenarbeit mit der Eurobike zu beenden, ist für mich nur die logische Konsequenz einer Entwicklung, die sich schon länger abgezeichnet hat.
Die Entscheidung: Ein Bruch mit Ansage
Seit Monaten wurde verhandelt, gerungen, gehofft – und am Ende kapituliert.
Die Gespräche zwischen den Verbänden und der Messegesellschaft fairnamic GmbH sind gescheitert, weil man sich über die künftige Ausrichtung der Eurobike nicht einigen konnte.
Die Verbände wollten eine Messe, die die Fahrradkultur in ihrer ganzen Breite zeigt – von Alltagsmobilität über Freizeit hin zu Sport und Lifestyle. Doch aufseiten der Messe blieb vieles beim Alten: zu wenig Veränderungswille, zu viel Messepolitik.
Der Schritt der Verbände, jetzt einen klaren Schnitt zu machen, ist daher konsequent. Und vielleicht sogar überfällig.
Der 10-Punkte-Plan: Vision einer echten Fahrradmesse
Nach der letzten Eurobike hatten ZIV, Zukunft Fahrrad und der VSF gemeinsam einen 10-Punkte-Plan erarbeitet – als Grundlage für eine Eurobike, die wieder inspirieren sollte.
Die Idee: weniger Quadratmeter, mehr Qualität; weniger Show, mehr Substanz.
Eine Messe, die das Fahrrad als Ganzes begreift – als System aus Mobilität, Technik, Kultur und Emotion.
Doch diese Vision fand offenbar kein Gehör.
Stattdessen setzte man auf Expansion und auf das Konzept Mobifuture, das das Fahrrad in ein größeres Mobilitätsuniversum integrieren sollte. Eine nette Idee auf dem Papier – aber für viele in der Branche ein Identitätsverlust.

Der falsche Weg: Timing, Atmosphäre und Standort
Ich muss ehrlich sagen: Für mich begann das Problem schon viel früher – mit der Verlegung des Termins aus dem September in den Juni/Juli. Das war in meinen Augen und rückblickend betrachtet, der größte Fehler.
Im September war die Eurobike immer der krönende Abschluss der Saison – ein Moment, an dem alle noch einmal zusammenkamen, bevor die neue Kollektion startete. Jetzt liegt sie mitten im Sommerloch, in einer Zeit, in der viele Händler und Endkunden selbst im Urlaub sind. Das nimmt der Messe ihren Rhythmus – und ihren Sinn.
Dazu kommt der Standort Frankfurt.
So professionell die Infrastruktur dort auch ist: Er hat die Seele der Messe gekostet.
Die Hallen sind zu groß, die Wege zu weit, und es fehlt das, was Friedrichshafen so besonders gemacht hat – Nähe, Persönlichkeit, Herzblut.
In Frankfurt am Main fühlt sich die Eurobike an wie eine Messe unter vielen.
In Friedrichshafen war sie ein Erlebnis.
Und genau das ist verloren gegangen.
Die Konsequenz: Ein notwendiger Schnitt
Dass die Verbände nun ihre Kooperation beenden, ist ein Weckruf – und vielleicht die Chance, neu anzufangen.
Die Fahrradbranche benötigt Formate, die zu ihrer DNA passen: gemeinschaftlich, leidenschaftlich, echt.
ZIV und Zukunft Fahrrad zeigen mit ihrer Entscheidung Haltung.
Sie stellen klar, dass Zukunft nicht durch Anpassung entsteht, sondern durch Mut, auch unbequeme Wege zu gehen.
Was jetzt passieren muss
Die Eurobike war über Jahrzehnte die Leitmesse einer ganzen Bewegung.
Aber wer Leitmesse bleiben will, muss führen – und nicht verwalten.
Vielleicht ist genau jetzt der Moment, um sich zu erinnern, was diese Messe einst groß gemacht hat:
den Enthusiasmus, die Authentizität, das Miteinander.
Nicht PowerPoint-Präsentationen und Konferenzräume, sondern Begegnung, Leidenschaft, Schweiß, Gänsehaut.
Mein persönlicher Appell an die Branche lautet daher:
Back to the Roots.
Zurück zu dem, was das Rad ausmacht – und zu dem, was die Eurobike einmal war:
eine Messe von der Branche, für die Branche.
Ein Ort, an dem man spürt, dass wir alle dasselbe Ziel haben:
Menschen fürs Radfahren zu begeistern.

Fazit: Neustart statt Nostalgie
Der Bruch zwischen ZIV, Zukunft Fahrrad und der Eurobike ist kein Ende – er ist ein Anfang. Ein Anfang für neue Formate, neue Ideen und neue Orte.
Das Fahrrad hat die Kraft, die Welt zu verändern.
Aber es braucht Bühnen, die diese Kraft sichtbar machen – mit Haltung, Vision und Herz.
Ich bin überzeugt:
Die Branche wird diesen Moment nutzen.
Denn eines ist sicher – das Fahrrad rollt weiter.
Und vielleicht führt der Weg dorthin tatsächlich zurück zu den Wurzeln.

































