BREAKING 5 – Teil 2:
Hard work beats Talent

180km Zeitfahren ist bereits ein ambitioniertes Ziel. Aber was braucht es, um die 5 Stunden zu knacken? Diese Frage beschäftigt mich seit gut einer Woche. Fitness, Material, Ernährung und ein perfekter Tag – vermutlich muss alles zusammen kommen, wenn ich in Roth unter 5 Stunden fahren will.

Triathlon Challenge Roth

Es gibt viele Stellenschrauben, an denen ich noch drehen kann, aber die entscheidende Frage ist eigentlich, ob meine Fitness für ein so ehrgeiziges Ziel ausreicht. Auf den ersten Blick bin ich da eher selbstkritisch.

Ich fahre zwar seit einigen Jahren regelmäßig Rennrad und hab mich schon auf das eine oder andere Rennen ambitioniert vorbereitet, aber überragende Fitnesswerte beim Radfahren hatte ich in der Leistungsdiagnostik noch nie.

In meinen Radzeiten stecken viel Arbeit und wenig Talent. Zumindest, wenn ich mich mit anderen Athleten vergleiche, mit denen ich schon trainieren durfte. Um ehrlich zu sein, war Ausdauer schon in meiner Jugend nicht wirklich meine Stärke. Ich konnte gut sprinten, springen und werfen, aber 1.000 Meter laufen war für mich die Hölle.

Schwimmen, Turnen, Ballspiele – im Sportstudium habe ich gemerkt, dass ich ein gewisses Bewegungstalent mitbringe. Große Ausdauerleistungen waren jedoch fürs Studium nicht nötig. Ich bin da gut durchgerutscht.

Doch man wird ja älter. Wie viele anderen Triathleten habe ich erst mit Mitte dreißig den Multisport für mich entdeckt. Die komplexen Bewegungsabläufe beim Kraulen waren keine Herausforderung, ein gute Grundlage hingegen fehlte mir beim Einstieg in den Sport.

An der Grundlage habe ich in den letzten Jahren gearbeitet. Habe mit verschiedenen Trainern gearbeitet, eine Menge Profi-Tipps bekommen und meine Fitness stetig verbessert. Im Vergleich zu anderen Athleten musste ich jedoch erkennen, dass mein Talent begrenzt ist.

Trainingsreize die bei anderen Sportlern zu großen Leistungssprüngen führten, haben bei mir lediglich für kleine Schritte gereicht. Es hat dann ein paar Jahre gedauert, bis ich das akzeptieren konnte. Genetisch gehöre ich nicht zu den Ausdauertalenten. Dennoch machen mir Schwimmen, Radfahren und Laufen viel Freude und ich habe mir ein passables Niveau erarbeitet.

Doch reicht mein Fitness-Niveau für eine Zeit unter 5 Stunden?

Es ist sicher unstrittig, dass man nicht ohne ein gewisses Talent Weltmeister oder Olympiasieger wird. Jeder Mensch hat unterschiedliche Veranlagungen, die mitbestimmen, wie weit wir es in einer Sportart bringen können.

Ein Sprinter wie Usain Bolt kann nach seiner aktiven Karriere sicherlich umschulen und einen Ironman finishen. Ganz bestimmt würde das ein solcher Spitzensportler auch in einer ganz passablen Zeit schaffen, aber von seiner Veranlagung her wird es trotz allem erdenklichen Training voraussichtlich nicht für einen Hawaii-Sieg reichen.

Andersrum wird ein Profi-Triathlet wie Jan Frodeno niemals eine Goldmedaille im Sprint abräumen. Dafür muss ich mich sehr weit aus dem Fenster lehnen. Beide Athleten gehören in ihrer Sportart zur absoluten Weltspitze und bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit.

Talent alleine reicht allerdings auch nicht aus, um Weltmeister zu werden. Ein harter Arbeiter kann ein schlampiges Talent schlagen. Sagt man zumindest und das gibt mir Hoffnung für mein Projekt Breaking5. Neben den genetischen Voraussetzungen kommt es auch auf ein paar Schlüsseleigenschaften an, die einen Sportler zu einem erfolgreichen Sportler machen.

Training, Ernährung, Material – was kann ich tun, um mein Ziel zu erreichen?

In meinem letzten Beitrag habe ich die Ausgangslage bereits beschrieben: Mein Ziel ist es, am 1. Juli in Roth die 180km mit dem Triathlonrad unter 5 Stunden zu ballern. Vermutlich werde ich dafür alle Register ziehen und an jeder Schraube drehen müssen.

Triathlon mit Zeitfahrrad
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1) Kontinuität

Dazu gehört selbstverständlich ein adäquates Training. Egal wie viel man in aerodynamisches Material investiert, selbst das teuerste Zeitfahrrad rollt leider nicht von selbst ins Ziel. Beim Training ist Kontinuität der Schlüssel für mehr Fitness. Mit einer extremen Hauruck-Aktion lässt sich die Fitness nicht über Nacht auf ein anderes Level heben.

Erfolg im Ausdauersport setzt ein jahreslanges und kontinuierliches Training voraus. Es ist besser, öfter pro Woche kurz zu trainieren, als ein paar mal lange auf dem Rad zu sitzen und dafür längere Trainingspausen einzulegen.

Fitness ist ein Prozess. Es geht um die tägliche Arbeit. Trainingseinheit für Trainingseinheit. Man wird die eigene Entwicklung nicht immer direkt spüren. Vor allem dann, wenn man in ermüdetem Zustand trainiert, fühlt sich Training vielleicht auch mal doof an. Umso mehr heißt dann am Ball bleiben. Hake die Einheiten ab. Session für Session.

Bis zu meinen Tag X bleiben mir keine drei Monate mehr. Ohne die entsprechende Basis, die ich mir bereits seit Oktober durch etliche Radkilometer erarbeitet habe, wäre mein Ziel utopisch. So kann ich aber darauf aufbauen und in den nächsten Wochen am Feinschliff arbeiten.

2) Disziplin

Die zweite wichtige Eigenschaft ist Disziplin. Viele Athleten sind ehrgeizig, sobald sie in einer Gruppe trainieren oder der Trainer zuschaut. Es kommt aber auf jede einzelne Einheit an. Es zählen auch die Trainingstage, an denen keiner zuguckt. Stell dir selbst die Frage, ob du bereits bist in jedem Training hundert Prozent zu gehen? Das heißt natürlich nicht, dass du immer Vollgas fahren sollst, aber wenn harte Intervalle auf dem Programm stehen, dann solltest du die Vorgaben erfüllen.

Lass deine Trainings nicht ausfallen oder verschiebe grundlos deine Einheiten. Beim Thema Ernährung ist übrigens ebenfalls etwas Disziplin gefragt. Täglich Wein oder Bier sind kontraproduktiv und Fast Food gehört nicht in den Speiseplan.

3) Harte Arbeit

Ambitionierte Ziele erfordern harte Arbeit. So ist das nun mal. Es gewinnt selten der Sportler, der es am besten in seiner Komfortzone aushält, sondern derjenige, der sich im Training gut quälen kann. Wer am härtesten arbeitet, erzielt die besten Ergebnisse.

Dazu gehört übrigens auch, dass man morgens mal früh aufsteht, um sein Pensum zu absolvieren, die Mittagspause nutzt oder am Wochenende trainiert, wenn Freunde oder Familie sich zum Brunch treffen.

Außerdem brauchst du einen guten Trainingsplan, welcher das richtige Maß an Belastung und Entlastung für dich bereit hält. Zu viel Intensität führt nämlich direkt ins Übertraining.

4) Mentale Stärke

Dank moderner Sportuhren und Leistungsmessern können wir heute alles tracken. Jede Session wird aufgezeichnet und analysiert. Das ist auch gut, um das Training sinnvoll zu steuern. Dabei darfst du aber nicht vergessen, dass es einen wichtigen Erfolgsfaktor gibt, denn du leider nicht messen kannst.

Die mentale Stärke eines Athleten entscheidet über Sieg oder Niederlage. Wie gut kannst du mit Druck oder Schmerzen umgehen? Wind, Hitze, Regen – nicht alles im Wettkampf ist planbar. Wie gehst du mit ungeplanten Situationen um? Was machst du, wenn deine geplante Strategie nicht aufgeht oder dich deine Motivation verlässt?

5 Stunden am Limit zu fahren, kann ganz schön an der Motivation zehren. Atemtechnik, Visualisieren, Selbstgespräche – eine wesentliche Aufgabe für die nächsten Wochen wird es sein, mir geeignete Mentalstrategien zurechtzulegen. Das schafft Spielraum, um im Wettkampf reagieren zu können, wenn es zwischenzeitlich mal nicht so gut laufen sollte.

5) Abschalten können

Für mein Wettkampfziel ist Training nötig. Viel Training. Damit die Trainingsreize wirken können, braucht der Körper allerdings auch ausreichend Erholungszeit. Damit ist nicht einfach die Zeit zwischen zwei Einheiten gemeint, sondern eine qualitative Erholung. Es ist entscheidend, zwischendurch auch mal Abschalten zu können.

Sauna, Meditation oder ein Powernap am Nachmittag sind genauso wichtig für die Regeneration wie ein gesunder Schlaf. Über Nacht laufen die Reparaturmaßnahmen im Körper auf Hochtouren. Regelmäßiger Schlaf zu festen Zeit ist unerlässlich, damit der Körper leistungsfähig bleibt. Mindestens sieben Stunden sollten es pro Nacht sein, besser sind sogar eine oder zwei Stunden mehr.

6) Wettbewerbsfähigkeit

Es gewinnt nicht zwingend der fitteste Athlet, sondern derjenige, der es am meisten will. Ein gewisses Maß an Wettbewerbsfähigkeit gehört dazu, wenn man ambitionierte Ziele erreichen will.

Daran kann und sollte man im Training ebenfalls arbeiten. Wenn man sich ausgeruht und frisch fühlt, fällt es uns leichter, Gas zu geben. Aber wie ist es um deine Bereitschaft bestellt, dich wirklich zu quälen, wenn du bereits müde bist?

Du solltest aber ein Gespür dafür entwickeln, wann es sinnvoll ist, sich mit anderen zu messen und wann du lieber zurückstecken solltest. Wer aus jeder Session einen Wettkampf macht und ständig nach Bestleistungen strebt, läuft schnell Gefahr, auszubrennen. Hier ist das richtige Maß gefragt.

Es gibt also einiges zu tun, bis Anfang Juli für mich der Startschuss fällt. In meinem nächsten Beitrag gibt es dann Einblicke in meinen Trainingsplan.

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JÖRG BIRKEL
Jörg Birkel lebt und arbeitet seit 2013 auf Mallorca und bietet dort ganzjährig Sportreisen und Trainingslager an. Zuvor hat er an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und mit einem Diplom als Sportwissenschaftler abgeschlossen. Im Anschluss an sein Studium hat sich Jörg als Sportjournalist selbstständig gemacht und über Trainings- und Ernährungsthemen geschrieben. Von 2003 bis 2009 war der passionierte Radfahrer und Fachbuchautor als Dozent an der Deutschen Sporthochschule tätig. Und seit dem 15. Oktober 2020 verstärkt er ilovecycling.de als Chef-Redakteur mit seinem Fachwissen.