Radsportler, Jedermänner wie Profis, träumen davon, perfekt auf ihrer Maschine zu sitzen und ihre Kraft mit maximaler Effizienz auf die Straße zu bekommen. Auch unser Gastautor René Wasmund träumte davon, beschäftigte sich dann ausgiebig mit dem Thema und lässt uns nun an seinen Erfahrungen im folgenden Bericht teilhaben. Viel Spass beim Lesen!
Jedes System ist einzigartig
Das Problem: Der Mensch ist mit seiner Physiologie und in seiner körperlichen Historie einmalig. Formeln und Richtlinien zur Bestimmung der optimalen Sitzposition können daher, selbst wenn ihnen tausende empirisch erhobene Datensätze von Einzelsportlern zugrunde liegen, im Endergebnis nicht mehr als Näherungswerte sein.
Genauso verhält es sich mit den Geometrien der Fahrräder – jeder Hersteller konfiguriert nach eigenen Erfahrungen und Vorstellungen. Da ist es unmöglich, mit einer Faustformel solide Anpassungsarbeit zu leisten.
Jeder, der sich mit der eigenen Position auf dem Renngerät schon einmal befasst hat, sei es mit dem Ziele einer Leistungssteigerung oder deswegen, weil regelmäßig nach einer gewissen Zeit Belastungsschmerzen zu spüren sind, weiß, wie komplex die Thematik und wie intensiv die Wechselwirkungen von Anpassungen sind.
Und mit jeder Veränderung, jeder Anpassung bleiben Fragen:
Tue ich meinem Körper muskulär damit jetzt etwas Gutes? Werde ich mit der Einstellung meiner Anatomie gerecht? Minimiere ich Belastungsschmerzen oder produziere ich sie durch die Anpassung erst? Wie viel von dem, was ich spüre, ist Einbildung und wie viel ist messbarer Fortschritt?
Experimente, Experimente…
Auch ich habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten etliche Male mit meiner Position auf dem Rad experimentiert – mit Rahmenhöhen, Sitzlänge, Sattelbreite, Schuhplatten, Überhöhung, Nachsitz. Entweder hat sich die Position auf dem Rad nicht perfekt angefühlt oder ich hatte Schmerzen oder es gab neue Erkenntnisse, die ich mir zunutze machen wollte.
Aber ich habe eben NUR mit den Faktoren experimentiert, die mir bekannt waren und die mit „Hausmitteln“ zu beeinflussen waren. Dass ich dabei weit unter den Möglichkeiten bleiben würde, die eine professionelle Gesamtschau auf das System aus Mensch und Maschine ermöglicht, ist eigentlich logisch – aber diese Sichtweise habe ich in der Vergangenheit anscheinend zugunsten der Einstellung, mit dem Studium von Literatur, meiner Erfahrung und meinem Gefühl ein adäquates Ergebnis erzielen zu können, erfolgreich verdrängt.
Und das, obwohl ich, wie fast jeder andere Rennradfahrer auch, schon Bekanntschaft mit Belastungsschmerzen gemacht habe. Ganz konkret waren es beidseitig die Zehe, von denen seit einigen Jahren bei Distanzen jenseits der 150 Kilometer immer wieder unangenehme Schmerzen ausgingen. Hinzu kamen Schmerzen in der linken Pobacke, die regelmäßig zwischen der zweiten und vierten Rennstunde auftauchten. Im Frühjahr dieses Jahres musste ich mich schließlich einer Operation am linken Knie unterziehen. In Folge des Eingriffes entwickelte ich das Gefühl, meine Kraft nicht mehr effizient auf die Straße zu bekommen.
Zweifelsfrei sind das allesamt keine Probleme, die einen Radsportler zur Aufgabe eines Rennens oder eines Marathons zwingen könnten, aber stundenlang Radfahren ohne Schmerzen und mit dem guten Gefühl, ruhig und effizient zu arbeiten, bedeutet Lebensqualität, wie ich finde.
… und die möchte ich im Sattel unbedingt spüren, so dass ich mich schließlich im Herbst 2016 entschlossen habe, ein professionelles Bike-Fitting durchführen zu lassen.
Der wissenschaftliche Ansatz im Institut
Zunächst habe ich mich online schlau gemacht. Die Blogs „ilovecycling.de“ (Beitrag vom 16.08.2016), „roadcycling.de“ (Beitrag vom. 9. September 2016) sowie die Fachzeitschriften „Tour“ (Ausgabe 07/15) und das Radtouren-Magazin (Beitrag vom 23.06.2015) hatten sich bereits mit dem Thema befasst und einen Überblick über verschiedene Methoden und Anbieter gegeben.
Nach einer online-Recherche bei Anbietern, die in der Fachpresse beispielhaft aufgeführt waren, entschied ich mich, das Fitting in der Bike Academy Berlin von Thomas Pollesche durchführen zu lassen. Schon auf der Homepage war klar und verständlich umrissen, worum es geht und auf welche Möglichkeiten der Kunde, je nach Wunsch und Zielrichtung, zurückgreifen kann. Die BAB arbeitet, wie andere Anbieter auch, mit dem Cyclus 2 – Trainer, einem der anerkannt besten Ergometer für standardisierte Testverfahren und Datenerhebung in Verbindung mit der Nutzung des eigenen Rades. Insofern konnte ich mir eine sichere Kontrolle meines Gefühls durch vielfältige Messdaten versprechen.
Ein Begriff war mir das Institut darüber hinaus durch positive Rückmeldungen von Startern der Mecklenburger Seen Runde, die den 300 Kilometer langen Marathon erfolgreich mit einem Setup von Thomas Pollesche gemeistert hatten.
Im Vorfeld meines Besuches in Berlin habe ich zur individuellen Vorbereitung einen Erhebungsbogen mit den wichtigsten körperlichen Kenndaten ausgefüllt. Damit hatte das Institut Vorlauf zur Vorbereitung des Fittings.
Hinzu kam eine Liste mit den Dingen, die ich zum Fitting mitbringen sollte:
- geputztes Rad
- Radhose
- enges Radtrikot
- derzeit genutzte Schuhe mit den aktuell montierten Schuhplatten (nicht vorher tauschen, denn die Abnutzungsspuren können Hinweise auf die Struktur der Belastung am Fuß geben)
- ggf. Einlagen für Schuhe.
Ich war gespannt auf die Methode und die Fähigkeiten des Instituts für den Blick auf ein sehr komplexes und sensibles System.
Auf geht´s … von einer Überraschung zur nächsten
Zunächst einmal hat sich Thomas viel Zeit genommen, meine bisherigen Erfahrungen und meine gesundheitliche Situation systematisch zu erfragen.
Nach der Anamnese unterzog ich mich einem Test für Beweglichkeit, Kraft und Stabilität, der unter anderem aus der Durchführung einbeiniger Kniebeuge und einer Überprüfung der Becken- bzw. Rumpfbeweglichkeit bestand und Anhaltspunkte für den Rahmen der physiologischen Belastbarkeit gab.
… das Thema mit den kribbelnden Zehen
Im nächsten Schritt wurden meine Füße im Hinblick auf den korrekten Sitz der Schuhe gecheckt – Sohlen raus und Füße drauf. Und siehe da: beide Füße ragten im äußeren Vorfußbereich signifikant über die Sohle hinaus – und das, obwohl ich absolut keinen überdurchschnittlich breiten Fuß habe. Ich war nie auf die Idee gekommen, dass ganz gewöhnliche Rennschuhe einer ganz gewöhnlichen Marke für meinen ganz gewöhnlichen Fuß deutlich zu schmal sein könnten. Und ich bin selbstredend auch nie auf die Idee gekommen, die Sohlen aus den Schuhen herauszunehmen und sie mit meiner Fußbreite abzugleichen. Ich habe die Schuhe online in der richtigen Länge gekauft, beim Anprobieren ein gutes Gefühl gehabt und den Kauf und die Nutzung damit gedanklich abgeschlossen. Die Schmerzen in meinen Zehen habe ich als körperliche Reaktion, worauf auch immer, gedeutet – ein klarer Fall von eingeschränktem Sichtfeld mangels Erfahrungswissens.
Diagnose: Die Schmerzen in den Zehen entstehen, weil der Vorfuß durch die engen Schuhe regelrecht eingequetscht wird.
Eine Druckmessung mit Sohlen, die mit Sensoren bestückt sind und die Druckverteilung im Schuh während der Tretbewegung messen, bestätigte diese Vermutung. Druck überall dort, wo er nicht sein soll – und ein Kraftangriffspunkt, der einen effizienten Tritt nicht zulässt.
Thomas kann auf eine breite Palette an Testmaterial zurückgreifen. Die Gegenprobe mit einem Schuh, der meine Fußbreite besser abbildet, führte zu deutlich besseren Druckwerten und einer bereits spontan spürbaren verbesserten Fußhaltung auf dem Pedal.
Diese wiederum hängt auch entscheidend von der Stellung der Pedalplatten ab, deren Position innen und außen anhand der Lage des Großzehen- und Kleinzehengrundgelenks bestimmt wurde. Auch an dieser Stelle waren deutliche Anpassungen notwendig, die ich sehr gerne aufgenommen habe.
Um meine Fußhaltung und die Möglichkeiten der Kraftübertragung auf das Pedal weiter zu optimieren, wurde auf der Grundlage der Druckwerte eine Sohlenversorgung mit einer Maßanfertigung aus Carbon und beidseitiger individueller Anpassung vorgeschlagen.
Ich entschied mich, die Sohlenversorgung in Anspruch zu nehmen, da sich die Druckwerte und die Tritteffizienz bei der Messung mit einem Testprovisorium nochmals spürbar verbesserten.
„Du sitzt auf dem Rad wie ein Schluck Wasser“
Parallel zur Druckmessung wurde meine Fahrt auf dem Cyclus-Trainer in Oberlenker-, Bremsgriff- und Unterlenkerhaltung mit zwei Videokameras aufgezeichnet, um meine Körperhaltung auf dem Rad, insbesondere die Ausrichtung der Rückenpartie sowie die Beinachsenstellung erfassen zu können.
Meine Haltung auf dem Rad erwies sich als inakzeptabel. Der Kommentar von Thomas: „Du sitzt auf dem Rad wie ein Schluck Wasser.“ Die Videoanalyse zeigte auf, dass ich meine deutlich überdurchschnittliche Beweglichkeit und Stabilität im Körperzentrum nicht einmal annäherungsweise in eine rennradgerechte Position umsetzen konnte. Der Rücken war viel zu sehr gekrümmt, die Arme am Oberlenker waren durchgestreckt und das Fußgelenk derart gestreckt, dass in der Druckphase kaum Kraft auf dem Pedal ankam.
Weitere Hinweise auf die Ursache für meine wenig effiziente Sitzhaltung sollte sodann eine Druckmessung am Sattel erbringen, die mit einem sensorbehafteten Überzug auf dem Sattel durchgeführt wurde.
Die Sitzfläche auf dem Sattel ist zum Sitzen
Die Druckmessung am Sattel förderte zutage, dass ich die eigentliche Sitzfläche des Sattels in keiner denkbaren Lenkerhaltung ausnutzte, sondern ständig zwischen Sattelmitte und Sattelspitze pendelte. Die Kraftanalyse zeigte darüber hinaus an, dass ich mit jeder Pedalumdrehung auch eine Ausgleichsbewegung in Richtung Sattelhinterteil vollführte. Aus der Druckaufzeichnung ließ sich auch ableiten, dass die Oberschenkelfreiheit am Sattel unnötig eingeschränkt sein könnte.
Alles in allem ergab sich aus der Datenanalyse der Auftrag, eine deutlich veränderte Sitzposition zu konzipieren, die einerseits eine saubere Kraftübertragung unter Ausnutzung der gesamten Sitzfläche auf dem Sattel sowie einer effizienten Tretbewegung ermöglicht und andererseits eine renn- und langstreckentaugliche Oberkörperhaltung beinhaltet.
Die neue Position
Anhand der Daten und der Videoanalyse konnten schließlich vier Veränderungsansätze verifiziert werden, die in Kombination miteinander zu einer deutlichen positiven Verschiebung der Druck- und Kraftwerte sowie der Tritteffizienz und gleichzeitig zu einer deutlich entspannteren und damit langstreckentauglichen Sitzhaltung auf dem Rad geführt haben:
- Verringerung der Sitzhöhe um 13 mm
- Verringerung der Sitzlänge um 10 mm
- Einsatz eines Sattels mit 132 mm Breite anstatt 142 mm Breite
- Aktives Bewegen des Beckens als Maßnahme im Bewegungscoaching zur Korrektur der Körperhaltung
… und ihre Wirkung
Die Videoanalyse meiner Position auf dem Rad nach Abschluss der Veränderungsarbeit offenbarte im Vergleich zu den Aufnahmen zu Beginn des Fittings einen Unterschied, der so gravierend ausfiel, dass kaum von ein und demselben Fahrer die Rede sein konnte.
Die Bilder machten mit Nachdruck bewusst, wie groß der Unterschied zwischen den Möglichkeiten einer hausgemachten Optimierung in der Garage und einer professionellen Analyse auf dem Stand der derzeitigen technischen Möglichkeiten ist.
Ich bin mit dem Setup der Bike Academy Berlin mittlerweile etliche Stunden im Sattel unterwegs gewesen, sowohl im Freien als auch auf der Rolle, längstens vier Stunden am Stück. Es hat sich bestätigt, dass ich über den gesamten Zeitraum des Trainings wesentlich entspannter kurbeln kann. Mit der Verkürzung der Sitzlänge findet mein Hintern nun auch problemlos seinen Platz auf der Sitzfläche des Sattels und das Vorschieben des Beckens, das ich noch aktiv und mit vollem Bewusstsein betreiben muss, fällt mir rein körperlich nicht schwer und löst auch keine Belastungsschmerzen aus. Mit der Verringerung der Sitzhöhe gelingt es mir, die Druckphase auf dem Pedal besser zu nutzen. Ich habe es einige Jahre nicht mehr getan, werde aber das einbeinige Fahren zur Trettechnikschulung wieder in mein Trainingsprogramm auf der Rolle aufnehmen.
Fazit:
Wenn ich darüber nachdenke, mit welchem finanziellen Einsatz im Radsport Materialtuning betrieben wird, erscheinen mir die Kosten für ein Bike-Fitting, wie es bei der Berlin Bike Academy von Thomas durchgeführt wurde, geradezu als Schnäppchen, wenn es um die Optimierung des Systems aus Mensch und Maschine geht.
In meinen Augen sind die Durchführung eines Bike-Fittings und die Bike Academy Berlin eine klare Empfehlung für jeden, der mehr als nur gelegentlich Rad fährt.
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Weder sinnvolle Ergänzung, noch Luxusspielerei. Sondern absolute Notwendigkeit um Überlastungsbeschwerden zu vermeiden.
Wichtig ist dabei auch auf jemanden zu vertrauen, der nicht nur über die nötigen Gerätschaften verfügt, sondern auch die gewonnen „Daten“ richtig zu interpretieren weiß.
Bikefitter schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden und nicht jeder verfügt über die notwendige Erfahrung Mtb’ler, Triathleten und Rennradfahrer ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend auf’s Bike zu setzen.
Aus eigener Erfahrung kann ich Herrn Schulz von MyPosition! Bikefitting http://www.myposition.biz empfehen, der nicht nur absolute Weltklasseathleten auf’s Rad setzt, sondern sich auch für Hobbyathleten die nötige Zeit nimmt und sie von seinem know-how aus dem Leistungssport profitieren lässt.
Vielen Dank für diesen ausführlichen Erfahrungsbericht. Für Fragen stehe ich natürlich per Mail zur Verfügung und wünsche allen ein sportives Jahr 2018!