Das ein Krafttraining im Radsport potentiell positiv wirken kann, ist unstrittig. Dennoch müssen pauschale Empfehlungen aus den letzten Jahren neu gedacht und hinterfragt werden. Gerade zwischen Oktober und Dezember muss der Einstieg mit aller Vorsicht erfolgen. Macht es Sinn, jedem Straßenradsportler unabhängig von den Hintergründen und den eigenen Zielen das Training mit der Langhantel und hohen Lasten zu empfehlen?

Sicher nicht, denn in den letzten Jahren zeigt sich vor allem eines: die richtige Technik und das korrekte Arbeiten mit der Langhantel lernt man weder aus einem Buch noch aus einer Trainingsplattform. Stattdessen sollten Sie erst einmal überprüfen, ob Sie überhaupt mit freien Hanteln arbeiten sollten oder ob Sie den kommenden Winter vielleicht erst einmal mit Mini-Band und einem vorbereitenden Athletiktraining verbringen.

Krafttraining im Straßenradsport?

Wenn Sie diese Zwischenüberschrift lesen, stellen sich Ihnen sicher direkt die ersten Fragen: was meint der Autor denn mit Straßenradsport?

Allein der Profiradsport unterscheidet sich grundlegend, je nachdem, ob ich als Trainer mit einem Athleten aus der World-Tour arbeite, der vielleicht schon mehrere Jahre auf diesem Niveau fährt oder aber mit einem Nachwuchsfahrer, der den Sprung in ein Continental Team geschafft hat. Nimmt man diese Frage weiter auseinander, stößt man auch im Jedermannbereich auf viele verschiedene Facetten des „Straßenfahrers“.

Während die Spitze Umfänge von 20.000 Kilometern im Jahr und teilweise sogar mehr erreicht, gibt es auch Jedermänner, die mit 5000 Jahreskilometern ihren Traum vom „Ötztaler“ oder „Highländer“ verfolgen. Nicht in jedem Fall macht es dabei sind ein Krafttraining einzuplanen, gerade, weil die Trainingszeit bei den meisten Jedermännern eben begrenzt ist. Da befinden sich die vielen verschiedenen Trainingsmethoden immer auch im Wettstreit mit der Zeit, die man mit dem Partner oder der Partnerin und Freunden verbringen kann. Wer berufstätig und familiär gebunden ist wird ein Lied von der knappen Freizeit singen können. Die Entscheidung, ob und wenn ja, in welchem Umfang ein Krafttraining denn überhaupt in den Trainingsplan passt ist also sehr individuell.

Voraussetzungen überprüfen

Bevor Sie jedoch überhaupt an Kniebeugen oder andere Krafttrainingsübungen denken sollten, müssen Sie erst einmal überprüfen, ob Sie über die passenden Voraussetzungen verfügen. Stellen Sie sich doch dazu mit einem Besenstil, den Sie gestreckt über Ihren Kopf halten ca. 5 cm vor eine Wand. Führen Sie nun eine Kniebeuge aus, bei der Ihre Oberschenkel in der tiefsten Position mindestens parallel zum Boden stehen. Während des Absenkens, sollte nun der Stab nicht die Wand berühren. Sollte dies doch passieren oder Sie erreichen die angegebene Tiefe nicht, erfüllen Sie bezogen auf Ihre Beweglichkeit nicht die Grundvoraussetzungen für eine Kniebeuge. Sie sollten dann erst einmal ein allgemeines Athletiktraining einbauen, in das Vorübungen und korrigierende Übungen eingebaut sind. Am effektivsten wird dies, wenn Sie dabei die Übungen mit einem Trainer oder einem Physiotherapeuten zusammenstellen, der sowohl Radsport- als auch „Athletiktrainingserfahrung“ vorweisen kann.

Schwere Lasten oder nicht?

Mit beginn des Aufbautrainings für das neue Jahr gehen viele Radsportler in ein Fitnessstudio oder eine Kraftkammer. Gerade im Zeitraum bis Dezember sollten Sie dabei jedoch nicht übertreiben und direkt mit schweren Gewichten arbeiten. Erst einmal steht auch beim Krafttraining die Grundlagenarbeit an: Beweglichkeit und Stabilität sind wichtige Voraussetzungen, auf die Sie die weiteren Krafttrainingsphasen aufbauen müssen. Während Sie in den letzten Monaten der aktuellen Saison auf dem Rad auch ab und an Gas geben sollten, dürfen Sie es im Krafttraum erst einmal „ruhig“ angehen lassen.

Titelbild ©: Jale Ibrak – stock.adobe.com

Train2Pro
DENNIS SANDIG
Dennis war Sportler mit Herzblut und begann seine sportliche Laufbahn zunächst komplex mit der Leichtathletik. Als Spross einer Radsportfamilie entdeckte der Neffe von Didi Thurau früh seine Liebe zum Rennrad. Krafttraining und Eisschnellauf brachten den nötigen Ausgleich. Nach dem Studium der Sportwissenschaften, Sportmedizin und Psychologie arbeitete er an der Universität des Saarlandes und später 3 Jahre am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Nach der Zeit als Trainer beim Schweizer Pro Continental Team Roth wechselte er als Referent für Bildung zur Deutschen Triathlon Union e.V.