Wer kennt das nicht, man ist mit dem Rennrad unterwegs, freut sich über das gute Wetter und darüber, dass man endlich wieder auf der Straße ist. Man ist richtig gut drauf und es läuft. Plötzlich kommt von irgendwoher ein knarzender, klackender oder quietschender Misston zu Ohren.

Genau so erging es mir, ich hatte nur ein Knarzen. Zunächst habe ich versucht das Geräusch zu lokalisieren. Ziemlich schnell war erkennbar, dass das Geräusch nur auftrat, wenn ich in die Pedale trat. Also lag die Vermutung nahe, dass es nur vom Antriebsstrang kommen konnte. So weit so gut, für den Heimweg schon die passenden geistigen Notizen gemacht, um dem Knarzen auf den Grund zu gehen. Weil das kann ja nicht angehen, dass das Fahrrad nicht wenigstens top läuft. Außerdem seien wir doch mal ehrlich, wer schraubt nicht auch gerne selbst an seinen Sachen herum. Da weiß man wenigstens genau, ob der Kratzer jetzt schon vorher drin war oder nicht.

Kaum daheim angekommen, natürlich erst nach dem Duschen, soviel Zeit muss ja sein, schnappe ich mir meinen Montageständer und gehe die Sache an. Da die erste Vermutung oft die richtige ist, nehme ich mir als erstes die Kurbel vor, da sie zu dem Zeitpunkt mein Hauptverdächtiger für das Geknarze war. Fahrrad eingespannt, paar mal die Kurbel gedreht und genau hingehört… eindeutig kam das Geräusch aus der vermuteten Gegend.

Nach kurzer Recherche im Internet kam ich zu der Überzeugung, dass das Reparieren „easy“ wird. Doch so leicht kann man sich täuschen. Die Reparatur an sich ist einfach, nur der Weg dahin gestaltet sich bei inadäquatem Werkzeug doch schwierig und ich wette, dass es jedem Hobbyschrauber an irgendeiner Stelle beim eigenen Projekt ähnlich erging wie mir. Nach dem Prinzip „ich könnte das eigentlich reparieren, nur fehlt mir das eine lausige Werkzeug“.

Also die Campagnolo Chorus Ultra Torque Kurbel angeschaut und losgelegt. Und gleich wieder aufgehört. Weil der 10er Imbusschlüssel schon mal zu kurz ist um die Schraube im Tretlager sauber zu erreichen. Also schnell Google bemüht und geschaut, was es da denn so alles an leckeren neuen Werkzeug gibt. Ich bin auch gleich fündig geworden und war hellauf vom Campagnolo Kurbelschraubenschlüssel begeistert, vor allem ist der für knapp 10€ ein echtes Schnäppchen.

campagnolo-kurbelschraubenschluesselDa dachte ich mir, das geht doch bestimmt auch billiger und so habe ich, wie in solchen Fällen des öfteren, einfach mal beim Profi um Rat gefragt. Also gleich bei meinem Vater vorbeigeschaut und der hatte die passende Lösung zur Hand. Anstatt einen Bit für eine Ratsche zu kaufen, hat der (mein Vater) sich direkt mit der Metallsäge bewaffnet und einen alten 10er Imbusschlüssel eiskalt beschnitten. Noch eine 10er Nuss auf die Ratsche und auseinander war das Tretlager. Das Ergebnis war eindeutig.

rostiges-kurbellagerDer Fehler eindeutig identifiziert, das Ersatzteil besorgt und der Lagerabzieher bereit. Direkt losgelegt und gleich wieder aufgehört. Irgendwie gestaltete sich die Reparatur doch langwieriger als gedacht und die Zeit des erzwungen Stillstandes ging mir langsam auf die Nerven. Irgendwie beschlich mich das ungute Gefühl, ob es nicht schlauer gewesen wäre doch zum Spezialisten in die Werkstatt zu gehen. Dort hätten die das im Handumdrehen mit dem passenden Werkzeug repariert gehabt. Aber jetzt war nicht nur mein Geldbeutel das passende Gegenargument, sondern jetzt war auch mein Stolz wachgerüttelt. Ich ziehe das jetzt durch und wenn ich noch ’ne Woche ‚rum mache.

Was war mein Problem?

Mein Lagerabzieher war nicht Campagnolo-Kompatibel. Die Greifer waren nicht fein genug, um das Lager zu packen. Es war einfach nicht genug Platz, um den Abzieher zwischen Kurbel und Lager zu schieben. Also mal schnell etwas Motivation geholt, indem man mal googelt, was das passende Werkzeug von Campa kostet. Danach war die Entscheidung einfach.

Zum Glück hatte ich nach etwas Knobeln die passende Idee und einen Schrank, den ich noch an die Wand zu hängen hatte. Der hat mir das passend gelochte stabile Stahlblech, das zur Wandaufhängung dient, leihen müssen. Dann noch die passenden Schrauben aus der Gruschkiste mit den dazugehörigen Muttern und fertig war die Grundkonstruktion für meinen Lagerabzieher.

lagerabzieherDann noch ein Tuch untergelegt, um die Kurbelwelle zu schonen und einen Kabelbinder zur Stabilisierung und schon ließ sich das Lager durch alternierendes anziehen der Muttern von der Welle ziehen. Für das Aufschlagen der neuen Lager habe ich übrigens die zufälligerweise genau passende metallene Saugrohrverlängerung eines Staubsaugers zweckentfremdet.

Was bleibt am Ende noch zu sagen?

Nach der Montage funktioniert wieder alles wie geschmiert. Das Tretlager läuft leise und verrichtet wieder wie gewohnt brav seinen Dienst und bei der nächsten Lagergeschichte habe ich die passenden Werkzeuge parat. Ihr könnt euch bestimmt vorstellen wie stolz mich dieser scheinbar kleine Sieg gemacht hat. Wenn Du zu denen gehörst, die lieber auf Nummer sicher gehen und ihre Räder in die Werkstatt bringen, dann kannst Du an dieser Stelle gerne den Kopf schütteln und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wenn Du aber auch ein Hobbyschrauber bist und auch schon dein eigenes Werkzeug improvisieren musstest, oder wolltest, dann würde ich mich freuen, wenn Du es an dieser Stelle teilst. Getreu dem Motto meines Kumpels: “if it looks stupid but works, it ain’t stupid.“

Bildnachweise: © donatas1205 (AdobeStock) und Ralf Egger

RALF EGGER
Ralf Egger hat einen Magister in Politikwissenschaft von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Seit vielen Jahren ist das Rennradfahren sein liebstes Hobby. Mit dem Rennradvirus hat ihn sein Vater infiziert. Für eine halbe Saison hat er in einer Zweiradwerkstatt als Mechaniker gearbeitet, damit er auch besser selbst an seinen Rädern schrauben kann und weil ihn so ziemlich alles um das Thema Zweirad herum interessiert. Da er mit ilovecycling.de-Herausgeber Jörg Lachmann einen Gleichgesinnten getroffen hat, freut er sich darüber, dass er sich in dessen Blog einbringen darf und seine Erfahrungen und Begeisterung mit anderen Radsportlern teilen kann. Sein Motto lautet: Es gibt nichts besseres als das Radfahren, um mal ungestört für sich zu sein und den Kopf frei zu bekommen. Da spielt es keine Rolle, ob man Profi oder Amateur ist, oder ob man allein oder in der Gruppe fährt.