Vor allem beim Zeitfahren sieht man heute keinen Radsportler mehr, der ohne Hochprofilfelgen oder Scheibenräder an den Start geht. Grund ist weniger die schicke Optik, sondern eine bessere Aerodynamik. Doch was bringen aerodynamische Laufräder wirklich?

Manche Hersteller versprechen gegenüber normalen Kastenfelgen eine enorme Zeitersparnis, wenn man stattdessen mit aerodynamischen Laufrädern an den Start ginge. Von bis zu 40 Watt ist die Rede.

Alleine mit solchen Laufrädern könnte man umgerechnet auf eine Zeitfahrstrecke von 40 Kilometern fast 2,5 Minuten einsparen. Das wäre ein immenser Vorteil. Verspricht es doch, messbar schneller zu werden, ohne dafür zusätzliche Zeit ins eigene Training zu stecken.

Lohnt sich also der Kauf von teuren Carbonfelgen?

Tatsächlich haben einige Tests ein enormes Einsparpotenzial für Laufräder ergeben, aber der Teufel steckt hier im Detail. Der Vorteil der besseren Aerodynamik hängt von der gefahrenen Geschwindigkeit ab. Wer also schnell genug radelt, kann von aerodynamischen Laufrädern profitieren.

Und genau hier liegt der Haken. Umso schneller ein Athlet mit seinem Rad unterwegs ist, desto höher ist das Einsparpotenzial. Für Einsteiger und schwächere Fahrer rechnet sich die Investition hingegen selten. Außer, es geht Ihnen um die aggressivere Optik.

Mittels Aerodynamiktest im Windkanal oder auf der Radbahn wird ermittelt, welchen Einfluss Laufräder auf die Geschwindigkeit haben, damit die Messergebnisse vergleichbar und reproduzierbar werden.

Knackpunkt: Ob sich die Tests unter Laborbedingungen dann auch auf die Straße übertragen lassen, steht noch auf einem anderen Blatt. Den größten Faktor bei der Überwindung des Windwiderstandes und damit auch das größte Einsparpotenzial bietet nämlich immer noch der Fahrer. Erst dann kommen Teile wie die Rahmenform oder die Laufräder.

Ein anderen Faktor: Die so ermittelten Messergebnisse lassen sich nicht einfach auf einen Hobbysportler übertragen. Neben dem Gesamtsystem aus Rad und Fahrer sind spielen Sitzposition, wechselnde Windrichtungen, Kleidung und Rahmenform eine wesentliche Rolle. Erst wenn das Alles aufeinander abgestimmt ist, wird man seine optimale Leistung abrufen können.

Trotzdem können auch Hobbysportler und Amateure von aerodynamischen Laufrädern profitieren. Bereits ab Tempo 30km/h lassen sich leichte Vorteile messen. Wer im Wettkampf eine Geschwindigkeit von durchschnittlich 35km/h oder schneller erreicht, profitiert auf jeden Fall von Aerolaufrädern. Je schneller die erreichte Geschwindigkeit, desto größer ist das Einsparpotenzial.

Aber warum sind Aerolaufräder eigentlich schneller?

Der Luftwiderstand ist der entscheidende Faktor beim Kampf gegen die Uhr. Er steigt mit der Geschwindigkeit im Quadrat. Bei Tempo 50km/h müssen Sie fast 90 Prozent Ihrer Kraft alleine dafür aufbringen, den Luftwiderstand zu überwinden. Wer schneller radeln will, sollte also an der Aerodynamik feilen. Es gilt, die Angriffsfläche für den Wind zu verkleinern.

Dabei spielen rotierende Teile am Rad eine besondere Rolle. Was sich bewegt, sorgt während der Fahrt für bremsende Luftverwirbelungen. Maßgeblich für die Aerodynamik eines Laufrades sind also die Speichen. Je mehr Speichen um die Achse des Laufrades rotieren, desto mehr Luftwirbel entstehen.

Ein Laufrad ohne Speichen hat folglich die besten Aerodynamikwerte. Aerodynamisch optimal sind also Scheibenräder, allerdings bieten diese auch viel Angriffsfläche für Seitenwind. Eine Scheibe kann also nicht bei allen Windverhältnissen gefahren werden.

Am Vorderrad sieht man auf der Straße eigentlich nie Scheibenräder, da sich die Seitenwindanfälligkeit hier besonders stark bemerkbar macht. Ein Zeitfahrrad wird dadurch quasi unkontrollierbar. Lediglich Bahnradfahrer nutzen vorne und hinten Scheibenräder. Wer dennoch nicht auf den aerodynamischen Vorteil verzichten möchte, braucht also eine andere Lösung.

No Disc, No Fun?

Zum besseren Verständnis gehen wir noch mal etwas genauer auf das Thema Luftwiderstand ein. Dieser wächst mit der Geschwindigkeit im Quadrat. Je schneller ich fahre, desto stärker bremst mich der Luftwiderstand. Diese Tatsache hatte entscheidende Auswirkung auf die Entwicklung von Hochprofilfelgen gehabt. Zur Fahrgeschwindigkeit kommt beim Radeln nämlich noch die Rotationsgeschwindigkeit der Laufräder hinzu.

Nehmen wir einmal an, Sie versetzen ein Laufrad im Stand in Bewegung, dann dreht sich der Reifen vielleicht mit 40 km/h um die Achse, während sich die Nabe dabei nicht vorwärtsbewegt. Genau genommen kann man am oberen Rand des Rades eine Geschwindigkeit von +40 km/h und am unteren Rand des Rades von -40 km/h messen.

Versetzen wir nun das ganze Fahrrad in Bewegung addieren sich die Geschwindigkeiten. Fährt ein Radfahrer mit 40 km/h vorwärts, dann bewegt sich auch die Achse mit 40 km/h, während sich das Laufrad mit 40 km/h um die Nabe dreht. Am oberen Rand des Laufrades rotiert dieses dann mit 80 km/h pro Stunde. Genau hier entsteht logischerweise der größte Luftwiderstand.

Laufräder mit weniger Speichen sind aerodynamischer

Jede Speiche verwirbelt die Luft am oberen Rand mit 80 km/h pro Stunde und entfaltet so eine erhebliche Bremswirkung. An diesem Punkt setzt die Idee von Aerolaufrädern an. Da die Rotationsgeschwindigkeit zur Nabe hin abnimmt, versucht man das Profil zu erhöhen. Es kommt also am Rand bereits zu weniger Verwirbelungen.

Ein weiterer Vorteil der Aerolaufräder: Durch das hohe Profil müssen weniger Speichen verbaut werden, ohne an Steifigkeit einzubüßen. Weniger Speichen wiederum bedeuten ebenfalls weniger Luftwirbel und damit eine geringere Bremswirkung. Umso höher das Profil desto größer ist also das Einsparpotenzial, aber gleichzeitig wächst natürlich auch wieder die Seitenwindanfälligkeit.

Übrigens: Im Wettkampf kann neben der Aerodynamik eventuell auch das Gewicht der Laufräder eine wesentliche Rolle spielen. Bei Hochprofilfelgen wird mehr Material verbaut und somit steigt das Gesamtgewicht. Auf bergigen Kursen muss diese Maße immer wieder in Schwung gebracht werden und kostet zusätzlich Kraft, während die Laufräder auf flachen Kursen ihre volle Wirkung entfalten. Ist die Schwungmasse nämlich einmal in Bewegung gesetzt, drehen sich die Laufräder auch mit geringem Kraftaufwand.

Die Wahl der richtigen Laufräder hängt also von verschiedenen Faktoren ab. Profi-Radteams berechnen vor jedem Rennen, welche Räder optimal sind. Dabei werden Windverhältnisse und Topografie der Strecke berücksichtigt.

Bildnachweis: © [´www.sram.com | pd-f | Sean Robinson´]

JÖRG BIRKEL
Jörg Birkel lebt und arbeitet seit 2013 auf Mallorca und bietet dort ganzjährig Sportreisen und Trainingslager an. Zuvor hat er an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und mit einem Diplom als Sportwissenschaftler abgeschlossen. Im Anschluss an sein Studium hat sich Jörg als Sportjournalist selbstständig gemacht und über Trainings- und Ernährungsthemen geschrieben. Von 2003 bis 2009 war der passionierte Radfahrer und Fachbuchautor als Dozent an der Deutschen Sporthochschule tätig. Und seit dem 15. Oktober 2020 verstärkt er ilovecycling.de als Redakteur mit seinem Fachwissen.

8 KOMMENTARE

  1. Und man will uns weismachen, Scheibenbremsen haben keinen aerodynamischen Nachteil ==> mehr Speichen (mehr Verwirbelungen) am Vorderrad, weil das Bremsmoment über die Speichen übertragen werden muss!!
    Aber eben, die Industrie will die Scheibe jetzt pushen…
    Gruss Stephan

  2. Hallo,
    falls wie ich jemand auf diesen Artikel stösst, befasse mich gerade mit Aerodynamik am Rad.

    o Bin nur Hobby – Tourenfahrer (Viel Schotter div. Flüssen entlang z.B.)
    o Standard Distanz 90 – 130km
    o Gerne und oft auch 170 – 220km
    o Fahre mit Eigenbau durch die Gegend / Gravel-Geo / Conti 4-Season auf Mavic Allroad Pro
    o Immer mit Schutzblech (Buuuuuh !) Haha! Ist es mir aber wert, nie Schmutzig

    Folgendes hat mich bez. AERODYNAMIK viel schneller gemacht:
    o AEROAUFSATZ !
    o Schön kompakt aus Carbon (Controltech Aero Cockpit Carbon Lenkeraufsatz)(oder nach Belieben)
    o Bin dadurch im Schnitt um 3kmh schneller!
    o Fahre auf meinen Runden zu 70 – 90% in dieser Position ohne Probleme.
    o Optimierungen in anderen Bereichen kosten viel mehr bringen aber sicher nicht so viel wie der
    Aero Aufsatz, zumindest meine Überzeugung.

    Kann ich nur empfehlen, Gruß aus AT

  3. Und dem anonymen Kommentator möchte ich widersprechen. Dem langsameren Fahrer bringt ein schneller Laufradsatz deshalb mehr Zeitgewinn, weil er für eine Strecke von z.Bsp 100km länger unterwegs ist und deshlab länger vom aerodynamisch geringeren Widerstand profitiert, was ihm einen höheren Zeitgewinn einjbringt als dem schnelleren Fahrer —- Der schnellere Fahrer widerrum profitert, weil desto schneller er fährt, desto größer ist der Luftwiderstand, desto geringer aber ist der Widerstand den er an die Laufräder zum Überwinden des Luftwiderstandes bringen muss. Daher fährt er natürlich bei gleicher Leistung schneller. UNd deshlab lohnt sich immer der Kauf von aerodynamischen Laufrädern, natürlich auch aus optischen Gründen 🙂 Gruß Thorsten

  4. Achtung!!! Ist die Systemgeschwindkeit 40kmh, dann bewegt sich das Laufrad in der 3h- und der 9h-Psition mit ebenfalls 40kmh (entspricht der waagerechten Linie zur Rotationsachse) während UND JETZT Kommts !!!! es sich in 12h Position mit der doppelten Systemgeschwindigkeit Rotiert und Vorwärtsbewegt !!! = 80kmh !!! und im 6h Position (Kontaktpunkt zur Straße) bewegt es sich mit 0kmh vorwärts, da es ja festen Kontakt über den Reifen hat und nicht gleitet. Aus diesem Grund entstehen die Luftwiderstände eines Laufrades zum allergrößten Teil in der oberen Hälfte, da es sich dort ma schnellsten dreht !!!! …. na ?! wer möchte widersprechen? Gruß Thorsten Westerholz

  5. Hallo Stefan,

    wo siehst du den Fehler? In der Physik addieren sich Geschwindigkeiten auf. Nehmen wir mal an, du befindest dich in einem Zug, der sich mit 50km/h fortbewegt und gehst auf dem Gang vorwärts. Dann bewegst du dich zwar gefühlt mit vielleicht 4km/h vorwärts, aber für ein außenstehender Beobachter, der dich durch die Fenster sieht, bewegst du dich dann tatsächlich mit 54km/h vorwärts.

    Genauso verhält es sich mit dem Laufrad. Hältst du das Laufrad an der Nabe fest und versetzt es in Schwung, rotiert das Laufrad um die Nabe. In meinem Beispiel habe ich angenommen, es rotiert mit einer Geschwindigkeit von 40km/h um die Nabe. Versetzt du nun das Laufrad in Bewegung, indem du mit dem Rad fährst, dann addieren sich die Rotationsgeschwindigkeit und die Bewegungsgeschwindigkeit am oberen Rand des Laufrades, während man am unteren Rand die Rotationsgeschwindigkeit abziehen muss.

    Sportliche Grüße
    Jörg