Für viele ist fast schon eine Glaubensfrage: Scheibenbremsen am Rennrad. Geht es nach dem Willen der Industrie, wird sich die Disc mittelfristig wohl auch im Rennradbereich durchsetzen. ilovecycling.de-Redakteur Jörg Birkel hat den Versuch gewagt. Ein Erfahrungsbericht … und KEIN Test!!!

Cervelo S3 Bremsscheiben

Ich komme gleich auf den Punkt: Die anfängliche Begeisterung für die Scheibenbremse ist Ernüchterung gewichen. Mitte Mai habe ich ein nagelneues Cervélo S3 mit Disc bekommen. Optisch ist so eine Scheibenbremse am Rennrad sicherlich gewöhnungsbedürftig, aber ich wollte unvoreingenommen an die Sache herangehen.

Entsprechend habe ich mich vorher kaum mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich dachte dem System einfach mal eine Chance. Irgendeinen Vorteil müssen die Bremsschreiben ja haben. Mein Radhändler nennt da in erster Linie die bessere Bremsleistung gegenüber Felgenbremsen.

Vor allem bei Nässe sollen Schreibenbremsen fast die gleiche Bremsperformance liefern wie im Trockenen. Klingt gut, obwohl ich ja ehrlicherweise eher ein Schönwetter-Fahrer bin. Jedenfalls kann ich mich an meine letzte Ausfahrt im Regen kaum erinnern.

Überragende Brems-Performance bei Abfahrten

Die ersten zwei Wochen habe ich das Cervélo S3 mit den serienmäßig gelieferten HED-Laufrädern und Shimano-Bremsen gefahren. Nach den ersten beiden Ausfahrten war ich begeistert. Zwar trat in den Abfahrten gelegentlich das Disc-typische Klingeln auf, wenn die Scheibe die Bremsbeläge stößt, aber nach dem Einfahren hat sich das erstmal gegeben.

Dafür konnte ich kurvenreiche Abfahrten mit einem ganz neuen Sicherheitsgefühl genießen. Die Bremsen haben satt zugegriffen und die Geschwindigkeit gefühlt sensationell verzögert. Der Druckpunkt war so weich eingestellt, dass ich mich bisher keinmal verbremst habe. Davor hatte ich ein wenig Bedenken, weil ich das vom Mountainbike anders kenne. Tatsächlich finde ich die Scheibenbremsen gut zu dosieren.

Etwa zwei Wochen später kamen dann die neuen Laufräder. Zipp 404. Schließlich soll das neue Bike ja auch optisch was hermachen. Ab diesem Zeitpunkt dämmerte mir langsam, dass es mit einem Systemwechsel nicht einfach getan ist. Die Zipp-Felgen kamen vom Hersteller nämlich ohne Bremsscheiben.

Montage leichtgemacht?

Kein Problem, an den HED-Laufrädern sind ja Bremsscheiben dran. Pustekuchen. Anders als bei Felgenbremsen ist die Befestigung von Bremsscheiben nämlich nicht standardisiert. Die HED-Felgen sind center-lock, während Zipp auf eine 6-Loch-Aufhängug setzt. Is klar. Also ab in den Radladen und erstmal neue Bremsscheiben kaufen. 65 Euro extra. Klasse.

Das nächste Problem tauchte dann beim Laufradwechsel auf. Da die Bremsscheiben an der Nabe befestigt sind, treten hier beim Bremsen nämlich andere Kräfte auf als bei Felgenbremsen. Entsprechend müssen die Laufräder ganz anderes entwickelt werden. Statt dem bewährten Schnellspanner haben die Laufräder eine massive Steckachse, die direkt in den Rahmen bzw. in die Gabel geschraubt wird.

Cervelo S3 Bremsscheiben

Versteckte Kosten

Auch hier gibt es bisher keine Norm für alle Hersteller. Eigentlich ist es keine große Sache, die Laufräder zu wechseln. Steckachse rausdrehen und die neuen Laufräder rein. Fertig. Denkste. Die Zipp-Laufräder passen nicht einfach in das Cervélo, sondern werden mit unterschiedlichen Adaptern ausgeliefert. Da muss man erstmal die passenden auswählen, bevor die Felgen in das Rad passen.

Die Achsen verursachen dann auch weitere Folgeprobleme, die man zunächst gar nicht auf dem Schirm hat. Beispielsweise passt ein Rennrad mit Felgenbremse nicht mehr einfach in einen Rollentrainer, sondern man benötigt eine Adapterachse.

Das gleiche Problem hatte ich dann mit meiner Radtasche. In dieser ist ein spezielles Gestell integriert, auf welches man normalerweise das Rad mit Schnellspannern draufschnallt. So zieht der Systemwechsel einen Rattenschwanz an Folgekosten nach sich. Die Industrie dürfte sich darüber freuen.

Ein weiteres Ärgernis für Scheibenbremsen-Neulinge: Für den Transport braucht es Transportsicherungen, also kleine Gummi-Keile, die man zwischen die Bremsbeläge schiebt, solange die Räder nicht drin stecken. Andernfalls schieben sich die Bremszylinder zusammen, wenn man die Bremse betätigt und lösen sich nicht mehr von selbst. So lernt man sein neues Rad gleich besser kennen.

Klingeln, Rasseln, Schleifen

Kommen wir aber zum eigentlich Test zurück. Seit ich die Zipp-Laufräder mit neuen Bremsscheiben endlich montiert hatte, musste ich mich an unangenehme Klingel- und Schleifgeräusche gewöhnen, die nach etwas stärkerem Betätigen der Bremsen auftreten.

Besonders in längeren Abfahrten hielt das Schleifen nach jeder Kurve für geschätzte 20 Sekunden. Das ist ungefähr so lange, dass man in Serpentinen kurz vor dem nächsten Bremsvorgang einen kurzen, geräuschfreien Augenblick erleben darf, bevor das Rasseln von vorne beginnt.

Die nervende Geräuschentwicklung hat sich bis heute nicht mehr gegeben. Nach Aussage verschiedener Mechaniker müsse man damit bei Scheibenbremsen leben. Wirklich geräuschfreie könne man die Bremsen nicht einstellen.

Beim Mountainbike, wo die Technologie ja bereits seit 20 Jahren zum Einsatz kommt, sei das wohl auch so, nur dass man die Schleifgeräusche da nicht wahrnehme, weil MTBs von sich aus eine stärkere Geräuschentwicklung haben. Jedenfalls haben verschiedenen Mechaniker sich am Rad versucht. Das Ergebnis war immer identisch. Im normalen Fahrbetrieb kann man das Klingeln soweit eindämmen, dass man es nicht wahrnimmt, aber sobald man stärker bremst, geht das Theater von vorne los.

Dennoch war ich gewillt, mein Rad einem richtigen Härtetest zu unterziehen und habe es Anfang August zu einem Alpencross mitgenommen. Auf dem Programm standen 6 Etappen von Garmisch zum Gardasee.  Insgesamt fast 600 Kilometer mit über 10.000 Höhenmetern haben wir zurückgelegt und es gab einige lange Abfahrten von 20 Kilometern und mehr.

Es gibt Vor- und Nachteile bei der Scheibenbremse

Tatsächlich habe ich die Scheibenbremsen hier gegenüber meinen Mitstreitern als Vorteil wahrgenommen, denn ich konnte Kurven deutlich schneller fahren als die Kollegen mit Felgenbremsen. Man kann einfach länger auf dem Gas bleiben und dann kurz vor der Kurve satt verzögern. Die Geräuschentwicklung war dann aufgrund des Fahrtwindes auch weniger störend. Vielleicht bin ich aber auch schon etwas abgestumpft.

Insgesamt habe ich seit Mai vielleicht 1.500 Kilometer mit dem Rad gefahren. Und schon zeigte sich der erste Verschleiß. Meine Bremsbeläge haben die Alpentour nicht heil überstanden. Ein Satz Bremsbeläge von Shimano kostet im Angebot fast 15 Euro und ich brauchte jeweils einen für vorne und hinten.

Also nochmal 30 Euro Zusatzkosten nach gerade einmal 3 Monaten. Zumindest, wenn man sich den Wechsel der Bremsbeläge selber zutraut. Ansonsten kommen da noch mal Arbeitskosten für den Radmechaniker drauf. Aufs Jahr hochgerechnet summiert sich das schnell auf Materialkosten von über 100 Euro. Auch das dürfte vor allem die Industrie freuen.

Cervelo S3 Bremsscheiben

Mein Fazit:

Bremsschreiben am Rennrad? Nein, Danke! In meinen Augen ist das System nicht ausgereift. Zwar macht die bessere Bremsperformance bergab wirklich Freude, aber das störenden Rasseln und Klingeln trüben den Fahrspaß deutlich. Zudem sind der Verschleiß und die ungeplanten Folgekosten ärgerlich.

Unschön finde ich auch, dass offenbar jeder Hersteller wieder sein eigenes Süppchen kocht, statt dass einheitliche Standards (Steckachse, Bremsaufhängung, Bremsscheiben, Bremsbeläge) entwickelt werden. Das erschwert möglicherweise die Kompatibilität untereinander. Das nächste Rad wird jedenfalls wieder ein Modell mit der bewährten Felgenbremse. Hoffentlich gibt es die in Zukunft noch zu kaufen.

Und wie ist Deine Meinung zum Thema Scheibenbremse?

Hier geht es zur Umfrage auf ilovecycling.de:

JÖRG BIRKEL
Jörg Birkel lebt und arbeitet seit 2013 auf Mallorca und bietet dort ganzjährig Sportreisen und Trainingslager an. Zuvor hat er an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und mit einem Diplom als Sportwissenschaftler abgeschlossen. Im Anschluss an sein Studium hat sich Jörg als Sportjournalist selbstständig gemacht und über Trainings- und Ernährungsthemen geschrieben. Von 2003 bis 2009 war der passionierte Radfahrer und Fachbuchautor als Dozent an der Deutschen Sporthochschule tätig. Und seit dem 15. Oktober 2020 verstärkt er ilovecycling.de als Redakteur mit seinem Fachwissen.

8 KOMMENTARE

  1. Ich habe vor drei Wochen voller Vorfreude mein neues Rose X-Lite Four Disc DI2 bekommen und war anfangs auch sehr begeistert – bis ich vorgestern die erste Fahrt im Regen hatte. Dieses Gequitsche bei jedem Bremsvorgang war kaum zu ertragen und von den anderen Fahrern aus der Gruppe (alle mit Felgenbremsen) habe ich dafür nur Sprüche kassiert. Auch hatte ich nach jedem Bremsvorgang ein leichtes Schleifen, dass dann nach ein paar Sekunden wieder weg war – bis zum nächsten Bremsvorgang. Solche Lärmprobleme hatte ich in dieser Form bisher noch nie bei meinen MTB mit Disc, nicht mal ansatzweise.
    Als ich dann wieder zu Hause war habe ich erst mal Google bemüht und Tipps gefunden, wie man das Quitschen beheben kann. Also habe ich zuerst die Bremsscheiben mit Waschbenzin gründlich gereinigt: ohne Erfolg. Dann habe ich die Bremsbeläge ausgebaut, mit feinem Schmirgelpapier abgeschliffen und abschließend gereinigt: ebenfalls ohne Erfolg. Sobald ich die Bremsscheiben nass mache tritt das unerträgliche Dauerquitschen ausnahmslos auf.
    Ich habe vor dem Kauf lange überlegt ob ich die Version mit Disc- oder Felgenbremse nehme und mich zu Gunsten der etwas besseren Bremsleistung für die Disc entschieden. Momentan sieht es für mich leider so aus, als hätte ich hier die falsche Entscheidung getroffen 🙁

  2. Also wirklich – ich habe selten so einen subjektiven und fachlich schlechten Bericht gelesen. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass es sich um einen Erfahrungsbericht und nicht um einen Test handelt und später im Text wird dann wieder vom Test geschrieben.
    Es liest sich das Ganze eher so, als ob man es einfach nicht wahrhaben kann, dass die steinzeitliche Technik der Felgenbremsen endlich abgelöst wird.
    Bei allen Fahrzeugen werden schon längst erfolgreich Scheibenbremsen eingesetzt (ich stelle mir gerade ein 200PS Motorrad mit Felgenbremsen vor) und bei einem vergleichsweise primitiven Rennrad wird eine bewährte Methode angezweifelt.
    Es ist nahezu ein Rätsel, wie der Autor auf nicht existente Probleme kommt. Selbst das Entlüften der Hydraulik ist einfach (Luft steigt in Flüssigkeiten bekanntlich nach oben). Bremsbeläge tauschen? Wem das zu schwierig ist, sollte ernsthaft bezweifeln, selbst Butter auf ein Brot schmieren zu können. Eine Geräuschentwicklung der Scheibenbremsen wegen dem Fahrtwind…. ernsthaft? Der Verschleiß wurde angesprochen – der ist doch im Vergleich zu Felgenbremsen nahezu Null. Nach 10.000 Höhenmetern sind die Bremsbeläge normalerweise noch so gut wie neu.
    Klingeln und rasseln…. wenn die Schleifgeräusche gemeint sind, dann heißt das Zauberwort „einstellen“ und man hat das Problem nach einer Minute nicht mehr. So einfach geht das: https://www.youtube.com/watch?v=EsYyMwXBBA8

    Ein objektiver Bericht sieht gänzlich anders aus – hier werden Fakten behandelt: https://roadcycling.de/rennrad-ausruestung/tests/komponenten/bremsen/scheibenbremse-vs-felgenbremse-rennrad-das-duell

  3. Ich habe jetzt meine erste Saison mit hydraulischen Scheibenbremsen hinter mich gebracht.Es stimmt,am Anfang muss man etwas hin und her probieren,um die Bremsen genau einzustellen,aber danach waren meine Bremsen die ganze Saison absolut ruhig. Habe zum Sommer auf die neuen Dura-Ace Scheiben gewechselt,die nochmal eine Klasse besser sind.Vorteil hier,die hitzen sich nicht so stark auf und kühlen schneller ab.
    Mein richtiges „Aha-Erlebnis“ war dann die erste Fahrt im Regen.Bis dato bin ich eher ein „Schisser“ bei Regen gewesen,immer übervorsichtig,da es mich schon mal böse hingelegt hatte. Mit den Scheibenbremsen fühle ich mich absolut sicher,da ich weiß,daß da eine richtig gute und dosierbare Verzögerung kommt. Für mich gibt es nichts Anderes mehr,Trend hin oder her

  4. LUTZ
    Toller Bericht. Man sollte den Unterschied zwischen Scheibe mechanisch oder hydraulische Scheibe nicht außer Acht lassen. Habe am Colnago CX mech. Scheibe von SHIMANO dran, leider. So schlecht habe ich noch nie gebremst. Schleift auch stark nach Regenfahrt. Habe an meinem Racer Campa Felgenbremsen dran- Malle getestet – und nach 25 Tsd. Km keinen Bedarf den von der Industrie vorgegebenen Trend mitzumachen.

  5. Hallo dem Verfasser des Scheibenbremsenartikel!

    Ich fahre seit mittlerweile mehr als drei Jahren Scheiben am RR ohne jegliche Probleme!
    Ein bisschen technisches Verständnis gehört wohl dazu wenn man einen neuen LR – Satz ins Rad steckt!
    Dann aus Unvermögen der Scheibenbremse die Probleme zu zuschreiben ist wohl bißchen blöd.
    Ich kann nur sagen das Felgenbremsen so was von out sind und abzusolut nicht mehr zeitgemäß sind (100-Jahre altes System)
    Bei PKW’s wird ja auch nicht gefragt ob man dies und das so braucht….
    Technischer Vortschritt geht nun mal immer mit Befürwortern und Leuten die im Gestern leben einher….

    Also Leute von Gestern : fahrt doch am besten mit Rücktritt- und Stempelbremsen!

    Grüße
    F. Z.

  6. Hmm….interessant, ich fahre die Felgenbremsversion des S3 mit 25er Reifen, sowohl Clincher als auch Tubular!! Ich hatte bis dato auch noch nie Probleme mit einer Strebe oder Ausschnitt, kann also ihr Problem absolut nicht bestätigen! Desweiteren gibt es genug Bilder im Netz vom S3d mit 25er Reifen, es wird auch auf der Herstellerhomepage damit geworben das man es mit 25er Reifen fahren kann. Also ich weiß nicht wo bei ihrem Rad das Problem liegt, aber es ist schon soweit ausgereift, das man es problemlos mit 25er Schlappen benutzen kann bzw. könnte!