Es gibt Fakten und es gibt Faible – beim idealen Material für Fahrradrahmen scheiden sich seit jeher die Geister. Eines ist jedoch klar: Auch wenn im Sport Carbon dominiert, ist Aluminium weiterhin stark verbreitet und Stahl, Titan und sogar Bambus besetzen ihre Nische. Die erfahrenen und radsportbegeisterten Mitglieder des pressedienst-fahrrads erklären ilovecycling.de ihr favorisiertes Rahmenmaterial und räumen mit verbreiteten Mythen auf. Wie wir finden, ein vielstimmiges Plädoyer für die Vielfalt.
Aluminium: Der Allrounder
Aluminium ist der „goldene Schnitt“ zwischen allen widerstreitenden Eigenschaften im Rahmenbau und das am meisten verwendete Material. Nirgendwo extrem, überall ausgewogen. Leicht und steif genug für jede sportliche Anwendung. Robust genug für die Qualen als Schlechtwetter-Mountainbike oder Alltagsrad, wo Dreck, Sand, Regen und Salz dem Rahmen wie Sandpapier zusetzen. Das Material ist relativ frei formbar, um auch die exotischeren Wünsche der Ingenieure zu befriedigen. Und als Kirsche auf der Torte vergleichsweise preisgünstig. Einmal produziert, lässt sich Aluminium zudem nahezu beliebig umformen, upcyceln und nachnutzen. Carbon kann leichter sein, Titan mag edler wirken, Stahl ist sicherlich einfacher zu verarbeiten und Bambus ökologischer, alles geschenkt. „Im Querschnitt aller relevanten Eigenschaften greife ich zum Rad aus Aluminum“, fasst Arne Bischoff vom pressedienst-fahrrad zusammen.
Carbon: Der Sportliche
Carbonfaserverstärkter Kunststoff (CFK), umgangssprachlich Carbon, ist das leichteste Mitglied in der Reihe der Materialien zur Herstellung von Fahrradrahmen. Ende der 1980er-Jahre tauchten die ersten serienproduzierten Stücke auf, führten aber bis zu Beginn der 2000er-Jahre ein Nischendasein. Das Potenzial des Werkstoffes hinsichtlich des sehr geringen Gewichtes auf der einen und freier Formgebung auf der anderen Seite zeichnete sich zwar schon früh ab, dennoch gelang es den meisten Herstellern lange nicht, diese Vorteile zu einem vertretbaren Preis auszuschöpfen. Erst mit neuen Herstellungsverfahren und der Verlagerung der Produktion in den Fernen Osten traten Carbonrahmen ihren Siegeszug an und konnten sich innerhalb weniger Jahre auf dem Markt für sportliche Fahrräder, egal ob für Rennradfahrer oder Mountainbiker, etablieren. „Geht es darum, aus seinem Fahrradrahmen die letzten Sekunden herauszukitzeln, kommt man an Carbon nicht vorbei“, weiß der amtierende niedersächsische Zeitfahrmeister und Laufradbauer Dr. Kai-Henrik Günther vom pressedienst-fahrrad. Kein Material ist leichter und verwindungssteifer, komfortabler und zugleich aerodynamisch optimierbarer als Carbon. Abstriche sind lediglich hinsichtlich der Robustheit bei Umfallern oder Stürzen zu machen.
Stahl: Der Klassiker
„Steel is real“ liest man hier und da auf T-Shirts oder Tattoos, und natürlich: Fahrräder aus Stahl passen hervorragend in die Hipness zwischen Craft-Bier, Vollbärte und Flanellhemden. Stahlräder sind filigran und trotzdem die wirklichen Arbeitstiere unter den Rädern. Stahl ist einfach zu verarbeiten und in den Rahmen schwingt die Historie des Radsports mit: Eleganz und Heldentum der Titanen der Landstraße etwa – und auch die Wurzeln des Mountainbikes sind ehern. Dabei ist das Material keineswegs altbacken. Hochwertige Rohrsätze sind mehrfach konifiziert, die Wandstärke des Rohres den tatsächlichen Ansprüchen entsprechend gewählt. „Stahl ist dein Freund. Er braucht Pflege und kann rosten – darum wird er gemeinhin lackiert. Die Handschrift des Erbauers bleibt jedoch auch nach der Farbbeschichtung sichtbar“, frohlockt David Koßmann vom pressedienst-fahrrad. Zwischen lokalen Nutzradbauern mit routinierten Schweißraupen und international verehrten Schmuckhandwerkern mit edlen und gewitzten Individualanfertigungen gibt es eine immense Bandbreite an Produkten. Das alles ist direkt greifbar und ehrlich. Kurz: „Real“.
Titan: Der Langlebige
Fans lieben an Titan, dass es nicht verkratzt, sondern Patina bekommt: Man sieht dem Rahmen zwar die Kilometer und Erlebnisse an, doch er wirkt dabei niemals alt oder ramponiert. So kommen Rahmen aus Titan ohne Lackierung aus, die demzufolge auch nicht verkratzt, und Titan „rostet“ nicht. Ein moderates Gewicht und eine ausreichende Steifigkeit sind weitere Merkmale. Mit Blick auf die Lebensspanne seines Besitzers altert Titan nicht wirklich. Ähnlich einer soliden mechanischen Uhr kann ein Titanrahmen zum Familienerbstück werden. „Ich möchte fahren und nicht meine Zeit mit Pflege oder der Frage um mögliche verborgene Schäden nach Transport oder Stürzen verbringen“, fasst Gunnar Fehlau vom pressedienst-fahrrad seine Begeisterung fürs Rahmenmaterial Titan zusammen. Kehrseiten der Titanrahmen sind ihr hoher Anschaffungspreis und der hohe Energiebedarf in der Herstellung. Umweltfreundlich wird Titan erst durch lange und intensive Nutzung. Und damit sind wir wieder bei der Patina angekommen!
Bambus: Der Hingucker
Aluminium, Stahl, Titan oder Carbon sind schön und gut – aber die Materialien sind endlich. In Zeiten von steigender Ressourcenknappheit liegt die Zukunft deshalb in nachwachsenden Rohstoffen. Warum also nicht ein Fahrrad aus Bambus nehmen? Die Bambusrohre eignen sich von ihrer Form bereits optimal zum Rahmenbau. Mit ein bisschen Harz zusammenkleben, lackieren und mit Komponenten versehen – fertig ist das neue Fahrrad. Wetterbeständig ist das Material von Natur aus. „Bei Stabilität und Haltbarkeit hält Bambus locker mit den anderen Materialien mit. Und dank der natürlichen Dämpfungseigenschaften der Rohre braucht man keine Service-intensive Technik wie Federgabeln oder Dämpfer“, überzeugt das Material Thomas Geisler vom pressedienst-fahrrad. Wenn man mit einem Bambusrad unterwegs ist, muss man sich jedoch bewusst sein: Die staunenden (und neidischen?) Blicke der Passanten und anderer Radfahrer sind einem gewiss.
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