Die Sonne scheint, kaum Wind und die Temperatur liegt im angenehmen unteren 20er °Celsius Bereich. Kurzum, es war feinstes Rennradwetter und eigentlich könnte einem nichts die Tour vermiesen. So war zumindest meine Annahme.

An so einem schönen Tag konnte ich das Wetter natürlich nicht ungenutzt lassen. Ich glaube ich wäre auch gefahren wenn ich halb tot gewesen wäre. Bei solchen Bedingungen kann man einfach nicht entspannt zu Hause bleiben, um sich dann spätestens alle halbe Stunde zu denken, eigentlich könnte ich jetzt da draussen sein und mir die Sonne wärmend auf den Pelz scheinen lassen, dabei noch die grosse Freiheit geniessen und es ganz gediegen Rollen lassen.

Also alles klar, ich bin fit, die Muskeln frisch, Zeit loszulegen

Ab in den Keller, Reifendruck geprüft, die Radklamotten angezogen, Flaschen für unterwegs klargemacht und prinzipiell das gewohnte Startprozedere hinter mich gebracht. Wie jeder Rennradfahrer habe auch ich da meine Marotten bei meiner Tourvorbereitung, damit auch bloss nichts vergessen wird. Endlich war ich im Sattel und unterwegs.

An sich ist das ja nichts ungewöhnliches bis jetzt, warum ist mir dieser Tag also so in Erinnerung geblieben?

Das kam dann unterwegs. Es begann damit, dass ich beim zufälligen Blick nach hinten in einiger Entfernung einen hellen Fleck auf dem Asphaltband in den Hügeln entdeckte, der mir hinterherfuhr. Noch waren keine Details zu erkennen und ich schenkte dem Ganzen noch keine grosse Aufmerksamkeit. An so einem Tag sind andere Radfahrer ja nichts ungewöhnliches und ich war mit für mich ordentlichen mehr als 30 km/h unterwegs, da sollte also kaum was von hinten kommen.

Bergabfahrt mit dem Rennrad

Ein paar Minuten später kam wieder der obligatorische Kontrollblick, ob hinter mir noch alles klar ist. Eigentlich war da auch alles ok, nur der helle Fleck war immer noch dort, und nicht nur das, der ist auch grösser geworden, weil nähergekommen. Noch trennten mich knapp ein Kilometer vom hellen Fleck, dessen Silhouette sich langsam als „Nicht-Rennradfahrer“ entpuppte. Ist bestimmt ein flotter Mountainbiker, so dachte ich zu dem Zeitpunkt noch bei mir. Also erst mal Tempo halten und dem Vorsatz treu bleiben, es gediegen Rollen zu lassen. Der wird schon nachlassen und dann erledigt sich das Thema von alleine.

Falsch gedacht, der kam immer weiter auf

Vor allem, wenn es beim hügeligen Streckenverlauf in den Anstieg ging, kam er immer näher. Auf den Geraden blieb der Abstand immer relativ konstant. Nach der nächsten Aufwärtspassage konnte ich jetzt auch genau erkennen, um was es sich dabei handelte, was so unaufhaltsam immer näher kam. Es war ein E-Bike Trekkingrad. Bis auf einen Lenkerkorb hatte das Ding wirklich fast alles. Gepäckträger, Schutzbleche, Ständer, Katzenaugen in den Speichen und natürlich die modernste Lichtanlage die man sich ans Fahrrad kaufen kann waren verbaut. Ich glaube das Ding hatte sogar Gepäckträgertaschen. Und das mir, der sogar die Ventilkappen abdreht, damit mein radsportverrückter Kumpel mich nicht blöd anmacht.

Obwohl mir die Vernunft sagte, dass ich der Situation nur durch Abbiegen hätte entkommen können, oder einfach normal im Rhythmus hätte weiter fahren sollen, gab ich Gas. Da noch einige Abzweigungen kamen, hatte ich auch immerhin noch die Möglichkeit ihn auf diese Weise loszuwerden. Doch das stellte sich schnell als Irrtum heraus. Mittlerweile sah man mir die Anstrengung an und der nächste Anstieg stand kurz bevor. Ich fuhr schwer atmend den Hügel hoch und verzichtete betont auf den Wiegetritt. Immerhin sollte er ja nicht merken, dass ich kämpfte und ihn eigentlich nicht überholen lassen wollte.

Es half alles nichts, mein Schicksal ließ sich nicht mehr abwenden

Mitten in der Steigung passierte es. Mein Rennradfahrerego wurde tief getroffen, erst recht als mein Verfolger mit für mich scheinbar überheblichem Grinsen auf dem Gesicht betont lässig an mir vorbeizog. Mit stolz hervorgeschobener Brust fuhr der Gelegenheitsradler in aufrechter Sitzposition mit einem aus den Augenwinkeln zugeworfenen Blick an mir vorbei und signalisierte mir so das stillschweigende und einvernehmliche Signal dafür, dass ich verloren habe.

Ich konnte mich nicht dem Gefühl erwehren, dass der doch schummelt. Der ist schlimmer als die, die bei den Profis dopen. Mir schossen einige Gedanken durch den Kopf. So schnell darf das Ding doch gar nicht fahren, wo ist nur die Polizei wenn man sie einmal braucht… , probiere das doch mal ohne dein „tolles E-Bike“ und wir schauen wer der Schnellere ist… . Einige weniger nette Gedanken drehten sich auch darum, dass der kein guter Mensch sein kann und bestimmt auch Kinder frisst. Am Ende konnte ich mir ein verbales Nachtreten in der Hitze des Gefechts nicht verkneifen. Ich rief ihm stichelnd zu:

„Schon ’ne tolle Sache so ein Hilfsmotor!“

Seine Reaktion war überraschend. Er bremste und ließ sich auf meine Höhe zurückfallen. Jetzt will der auch noch reden, darauf hatte ich ja so gar keine Lust nach der gefühlten Blamage. Aber anscheinend hatte der gute Mann einiges an Rede- und Rechtfertigungsbedarf. Überraschenderweise stellte er sich als Mensch heraus, der mir sogar von Sekunde zu Sekunde sympathischer wurde. Er erzählte mir, dass er das E-Bike eigentlich nur gekauft hatte, um damit auf die Arbeit zu fahren und er so die Umwelt und seinen Geldbeutel auf lange Sicht weniger belastet, als wenn er mit dem Auto fahren würde. So kann ein „Normalo“, wie er sich selbst bezeichnete, auch die längere Distanz in einer anständigen Zeit bewältigen, ohne völlig erledigt auf der Arbeit anzukommen und eine Dusche zu brauchen.

Radsport auf dem Arbeitsweg
© Mike Watson Images Limited.

Wir tauschten uns dann noch für einige km aus und nachdem meine Zurechnungsfähigkeit mit der zurückkommenden Vernunft wieder zunahm, musste ich ihm zugestehen, dass der gute Mann vernünftige Ansichten hatte. Außer der netten Bekanntschaft konnte er mir auch durch die aufrechte Sitzposition schönen Windschatten bieten, den er mir auch nur allzu gerne zur Verfügung stellte. Das Zusammentreffen entpuppte sich also auch für mich am Ende als echter Gewinn. Ich hatte nicht nur eine kurzweilige Unterhaltung führen können, ich hatte auch einige Erkenntnisse gewonnen.

Denn bis ich wieder Daheim war konnte ich mir auf dem Rest meiner Runde noch eigene Gedanken machen. Es lässt sich bestimmt nicht abstreiten, dass durch die E-Bikes viele wieder auf das Rad zurückkommen, um von A nach B zu fahren. Auch für die, die vielleicht nicht mehr die körperliche Fitness von Einst besitzen, wurde das Radfahren erst wieder zum Thema. Ausserdem schauen die neuen E-Bikes zum Großteil richtig schick und modern aus und machen echt was her. Wenn ich nicht in erster Linie überzeugter Rennradfahrer wäre und noch Geld und Platz im Keller übrig hätte, dann würde ich mir bestimmt so etwas wie ein Pedelec oder E-Bike kaufen. Aber leider frisst mein Fuhrpark meine finanziellen Mittel für solche Spielereien zu sehr auf.

Es bleibt also festzustellen, dass durch die E-Bikes die Gemeinschaft der Fahrradfahrer wächst und auch wenn man mal von einem batterieunterstützen Radler geschnupft wird, das sind auch nur Menschen, die zumeist auch für jeden Spaß zu haben sind. Also an alle Rennradfahrer denen das auch so passieren mag, nehmt es euch nicht zu Herzen wenn ihr überholt werdet, nehmt es lässig und vor allem mit Humor. Und für die E-Bike Fahrer kann ich nur den Tipp geben, wenn ihr einem Rennradler begegnet und ihn überholt, wir freuen uns eigentlich immer über Windschatten. Ein friedliches und offenes Miteinander auf der Straße sorgt dafür, dass wir (alle Radler) am nächsten Tag auch wieder gerne in den Sattel steigen und das Auto lieber ein- oder zweimal öfter stehen lassen.

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RALF EGGER
Ralf Egger hat einen Magister in Politikwissenschaft von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Seit vielen Jahren ist das Rennradfahren sein liebstes Hobby. Mit dem Rennradvirus hat ihn sein Vater infiziert. Für eine halbe Saison hat er in einer Zweiradwerkstatt als Mechaniker gearbeitet, damit er auch besser selbst an seinen Rädern schrauben kann und weil ihn so ziemlich alles um das Thema Zweirad herum interessiert. Da er mit ilovecycling.de-Herausgeber Jörg Lachmann einen Gleichgesinnten getroffen hat, freut er sich darüber, dass er sich in dessen Blog einbringen darf und seine Erfahrungen und Begeisterung mit anderen Radsportlern teilen kann. Sein Motto lautet: Es gibt nichts besseres als das Radfahren, um mal ungestört für sich zu sein und den Kopf frei zu bekommen. Da spielt es keine Rolle, ob man Profi oder Amateur ist, oder ob man allein oder in der Gruppe fährt.

6 KOMMENTARE

  1. Danke für den Beitrag. Ich persönlich freue mich über die zusätzlichen Challenges am Berg mit den Ebikern.
    Außerdem fahre ich selber S-Pdelelc statt Auto und wer wirklich jeden Tag und bei jedem Wetter fährt, der freut sich über den Rückenwind. Außerdem spare ich 15 bis 20min pro Weg. Von wegen „durch den Motor wird man dick und stirbt früher“…

  2. MOFA ist die Abkürzung für motorisiertes Fahrad. E-Bikes und alles mit Motor sind also nur ein MOFA. Dem Dummen wird vom Marketing erzählt, dass er nun endlich wieder aufsteigt. Es ist aber ein Abstieg, denn es fehlt an Kraft, Mut und am Willen zur Anstrengung. Durch den Motor wird man dick und stirbt früher.

  3. Das ist ein Beitrag, der viel Humor und Eigenironie enthält. Spitze! Ich bin zwar Normalofahrer und hab ein MTB für den Alltag, kenne aber die Gefühle des Rennradlers. Super, dass er sich auf ein Gespräch einlässt, neue Einsichten tun uns gut, egal in welchem Lebensbereich. Total guter Beitrag, Danke!

  4. E-Bikes sind halt eigentlich keine Fahrräder, sondern eher Mofas, die nicht stinken. Da die normalen Pedelecs ja nur 25 fahren dürfen und im Normalfall auch tun, kommt man ihnen mit normalen Sommertrainingszustand ja sowieso nur am Berg in die Quere.

    Abgesehen davon sollte man sich von solchen Dingen eh frei machen. Ist auch immer wieder lustig, wenn einem Gelegenheits-Rennradfahrer ein Rennen liefern wollen und man absolut nicht drauf einsteigt. Ich lass denen dann immer ihr Erfolgserlebnis. 🙂