Ich bin kein Jurist (auch wenn ich in seltenen Situation durchaus froh darüber wäre). Hier geht es deswegen nicht um Spitzfindigkeiten des Gesetzgebungverfahrens, hier geht es darum, dass Leben in unseren Städten – und damit in unserem Land – auch in Zukunft lebenswert zu halten.

Die “Alternative” zur Alternativlosigkeit könnt Ihr Euch jetzt schon anschauen. Von Peking über Lahore bis Neu-Delhi sind die Auswirkungen ausufernden Autoverkehrs täglich zu beobachten: Ein gnadenloser Straßenverkehr, in dem Fahrradfahren zur Unmöglichkeit wird. Eine Luftverschmutzung, die das Atmen schwer macht und sich abends unter der Dusche in schwarzen Schlieren von der Haut waschen lässt. Auch wenn wir von solchen albtraumhaften Szenarien in Deutschland noch weit entfernt scheinen: Wir wollen sicherstellen, dass es so bleibt (und in Zukunft – insbesondere in den Großstädten – noch besser wird).

Was wir dringend brauchen: Ein bundesweites Radgesetz

Ein wichtiger Baustein dazu ist ein bundesweites Radgesetz. Die inhaltliche Vorarbeit wurde in Berlin, für Berlin durch die Initiative Volksentscheid Fahrrad bereits umfassend geleistet: Der Entwurf für ein Berliner Landesgesetz liegt vor und wird – möglich gemacht durch die unermüdliche Arbeit Freiwilliger – hoffentlich bis März 2017 beschlossen (BTW: Die Kollegen brauchen für die letzte Phase des Projektes auch finanzielle Unterstützung – spenden kannst Du hier).

Das Ergebnis: Ein dringend notwendiges, umfassendes Radinfrastukturprogramm für Berlin, welches dafür sorgt, dass Radfahren in der Hauptstadt deutlich sicherer und entspannter wird. Und im Nebeneffekt seinen Teil zu saubererer Luft in der Stadt beiträgt. Das freut Enrico – unseren Berliner Senior Mechanic und damit Euer LiveCycle Gesicht in der Hauptstadt – sehr. Ebenso erfreut sein werden unzählige Berliner Radfahrer. Aber: Millionen Radfahrer im Rest der Republik, von München bis Hamburg, gucken in die Röhre.

Was wir stattdessen bekommen: Eine Straßenbauorgie

Was wir dringend brauchen: Die Ausweitung des (hoffentlich baldigen) Berliner Radgesetzes auf den Bund. Dazu gehört: Der Ausbau sicherer Radstraßen, breite Radverkehrsanlagen an jeder Hauptstraße, die Sicherung gefährlicher Kreuzungen, die schnelle und effektive Beseitigung mangelhafter Radwege, deutlich ausgeweitete Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, der Ausbau von Radschnellwegen und – besonders wichtig – die schnelle Umsetzung all dieser Maßnahmen, was nicht zuletzt neue Stellen in Verwaltung und Behörden mit Fokus auf das Thema Fahrrad bedingt.

Was wir stattdessen bekommen: Einen 264 Milliarden Euro schweren Bundesverkehrswegeplan a.k.a. Straßenbauorgie, bei dessen Entstehung von Bürgerbeteiligung keine Rede gewesen sein kann und der völlig außer Acht lässt was seit Jahren nachgewiesen ist: Größere, breitere Straßen führen nicht zur Reduktion des Verkehrs, sondern zu mehr Verkehr.

Deswegen: Das Thema “Radgesetz” kann mit einem Beschluss in Berlin bis März 2017 nicht abgehakt sein – es muss dann erst richtig losgehen. Das Ziel dabei ist klar: Eine Republik in der ökologisch sinnvolle Mobilitätsalternativen den Vorrang gegenüber dem Auto haben. Das ist echt alternativlos.

BASTIAN SCHERBECK
Mitinhaber von LiveCycle. Ich bin ein Fahrrad-Enthusiast, der sich sicher ist, dass die Lösung der globalen Herausforderungen in der urbanen Mobilität nicht in den immer noch mehrheitlich das Stadtbild bestimmenden PS-starken Spritfressern liegt. Für mich ist ganz klar: Das Bike ist ein wichtiger Teil der Lösung! Das haben auch die Stadtmütter und -väter der großen Metropolen erkannt: Radwege werden immer stärker ausgebaut, die Voraussetzungen für Radfahrer werden immer besser.

1 KOMMENTAR

  1. Die Schlussfolgerung, dass dem Radverkehr auf unseren Straßen ein adäquater Platz eingeräumt werden muss, ist absolut richtig. Das (ohnehin schon aufgeweichte) Klimaziel, mit dem Deutschland zum Klimagipfel nach Marrakesch reist (fliegt), lässt sich ohne eine Verkehrswende, deren notwendiger Bestandteil eine gezielte und nachhaltige Radverkehrsförderung ist, nicht erreichen. Anders ausgedrückt: Radfahrende sind kein Problem, sie sind Teil der Lösung. Das Problem besteht vielmehr darin, dass es nicht den _einen_ Lobbyverband für Radfahrbegeisterte gibt. Die Fahrradlobby ist zersplittert in Teilverbände wie den ADFC, VCD, BdR, ADAC und wie sie noch alles heißen mögen. Seitens der Politik gibt es viele Versprechungen und parfümiertes Parlando. Alle wollen irgendwie, irgendwo, irgendwann mal den Radverkehr fördern. Aber seien wir realistisch: Straßen werden immer noch vorwiegend für den motorisierten Verkehr gebaut. Und die Autoindustrie hat massiven Einfluss, denn sie sorgt für Arbeitsplätze und verfügt über gut bezahlte Vorstandsposten und professionelle Lobbyisten. Solange es dazu kein adäquates, verkehrspolitisches Gegengewicht gibt, wird sich gar nichts ändern. FUN FACT: Der im Wege eines Volksentscheids eingereichte Gesetzentwurf für das Land Berlin wird gerade seit Monaten von den politisch Verantwortlichen ausgesessen! Zurück zu diesem Artikel: der Grundgedanke ist richtig. Allerdings bleibt der Beitrag die Antwort darauf schuldig, wie denn eine solche Bundesgesetzgebung zu erreichen wäre und sich eine bundesdeutsche Fahrradkultur, mehr Gesundheit und Klimaneutralität erreichen ließe.