Er war einer der größten Sporthelden unserer Zeit: Lance Armstrong hat in den Neunzigerjahren mit seinem Team den Radrennsport revolutioniert, sieben Mal siegte er allein bei der Tour de France. Mit seinem Kampf gegen Krebs wurde er zur charismatischen Ikone von Millionen. Doch dann kommt die Wahrheit seines Erfolgs ans Licht: Der Sportjournalist David Walsh deckt ein System aus Lügen und Betrug auf . . . das protokolliert Regisseur Stephen Frears in seinem Sport- und Dokumentarfilm „The Program – Um jeden Preis“.

Selbstverständlich kann es ein Film nicht leisten, in den knapp 103 Minuten die gesamte Geschichte von Lance Armstrong aufzurollen. So reihen sich gerade am Anfang des Films sehr viele Ereignisse in doch sehr kurzer Zeit aneinander. Uns persönlich ging es beim Anschauen ein wenig zu schnell. Regisseur Frears widmet sich am Anfang nur den vermeintlich wichtigsten Stationen von Armstrongs Werdegang und konzentriert sich bald zu großen Teilen des Films auf dessen Betrugs-Geschichte und die Verstrickungen zum Doping-Arzt Michele Ferrari. Einen richtigen Zugang zu der eigentlichen Person von Armstrong bekommt man in dem Film eher nicht. Sportliche Details wie das eigentliche Radsport-Training und die taktischen Finessen während eines Radrennens werden da eher vernachlässigt.

Im Mittelpunkt steht definitiv die Darstellung von Lance Armstrong als dominanten, harten und machtbesessenen Radprofi, der alle Register zieht um letztendlich Erfolg zu haben, zu gewinnen und deshalb auch früh in seiner Karriere für sich entschieden hat, den Weg des Betrugs durch Doping zu gehen. Der Eindruck entsteht schnell, dass ein Radprofi ohne Doping zu der Zeit keine Chance hatte überhaupt Erfolge feiern zu können. Nur kurz wurde zum Beispiel der damalige Festina-Doping-Skandal mitsamt seinen Auswirkungen auf den Radsport angerissen, oder gab es sogar keine Auswirkungen? Denn in den Jahren danach wurde, wie wir alle mittlerweile wissen, mehr gedopt als je zuvor.

Die ersten Jahre in der Karriere von Lance Armstrong finden wie bereits geschrieben im Schnelldurchlauf statt und spielen eine eher untergeordnete Rolle. So sieht man nur sehr wenig von den ersten Profijahren in seinem Leben und landet sehr schnell bei seiner schlimmen Krebserkrankung (Hodenkrebs), der schwierigen Therapie, seinem Comeback und den anschließenden sieben (7) Tour-de-France-Siegen.

Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder der Sportjournalist David Walsh, der unermüdlich und vom ersten Tag an skeptisch dem Aufstieg von Lance Armstrong folgt. David Walsh ist einer der wenigen, die der plötzlichen und aus dem nichts kommenden Leistungssteigerung von Armstrong nicht trauen und somit nicht müde wird, immer wieder den Superstar damit zu konfrontieren. Letztendlich hat er ja alles richtig eingeschätzt, aber wie das so ist im Leben, keiner will es hören oder glauben und so wird Walsh schnell zum Außenseiter der Szene.

Emotional gehören sowohl David Walsh als auch Floyd Landis (Wegbegleiter Lance Armstrongs und disqualifizierter Tour-Sieger 2006) sicherlich zu den Personen im Film, zu denen man ein persönliches Verhältnis aufbauen kann. Ein wenig leid kann einem Floyd Landis schon tun, denn man zeigt ihn als Sohn einer mennonitischen Familie, der in seinen jungen Jahren schnell durch Lance Armstrong zum systematischen Doping gebracht wird. So richtig wohl fühlt er sich dabei nicht und man nimmt ihm das im Film auch ab. Immer mehr Gewissensbisse plagen ihn, aber das Dopingkartell sowie auch die Machtperson Lance Armstrong lassen ihm keine andere Wahl. In diesen Momenten ist aber sehrwohl zu spüren, dass das Ganze sicherlich nur eine Frage der Zeit sein kann, bis die Bombe platzt. Man ist halt nur überrascht, dass es dann doch so lange Zeit gebraucht hat, bis es letztendlich zum Zusammenbruch des Dopingkartells kam.

Es ist schon erstaunlich zu sehen, wie Lance Armstrong das dopingverseuchte US-Postal-Team im Griff hat und welchen Druck er auch gegenüber anderen Fahrern im Feld aufbaut. Jeder, der auch nur ansatzweise seine Leistungen und das Thema Doping ins Gespräch bringt, wird von ihm attackiert und sogar bedroht. In einer Szene während eines Rennens spricht er einen Fahrer direkt an und droht, ihn mit seiner Macht und seinen finanziellen Möglichkeiten zu vernichten. Ein sehr bedenklicher Moment, in dem man nicht mehr weiß, ob er überhaupt noch Herr seiner Sinne ist und ob er überhaupt noch den Bezug zu der eigentlichen Realität hat.

Die Rolle des Doping-Arztes Michele Ferrari kommt uns persönlich ein wenig zu kurz in dem Film. In einigen Szenen denkt man schnell an einen verwirrten und abgehobenen Wissenschaftler. Dass dieser Mann wohl ein weltweites Dopingnetzwerk aufgebaut und betreut hat, erfährt man nicht wirklich in diesem Film. Sicherlich könnte man über ihn und seine Machenschaften einen eigenen stundenlangen Film drehen, allerdings würden dann wohl nicht nur Radprofis in seiner Kartei auftauchen.

Gut gelöst hat Regisseur Stephen Frears in unseren Augen das Thema von Lance Armstrong seiner Stiftung „Livestrong“. Immer mal wieder kommt das Thema hoch, aber er bekommt es gut hin, dass der Zuschauer nicht den Film sieht und sagt . . . was ist das für ein toller Kerl, er hat doch soviel Gutes getan. Obwohl die Stiftung bis heute wirklich eine mehr als gute und seriöse Institution ist, die etliche Millionen für die Krebsforschung eingenommen und zur Verfügung gestellt hat. Aber auch dort schafft es Lance Armstrong bei öffentlichen Auftritten für die Stiftung seine „Rolle“ zu spielen, er sagt das, was die Menschen hören wollen und auch hier wie so häufig nicht die Wahrheit.

Am Schluß des Films geht dann doch alles sehr schnell.

Viele seiner ehemaligen Teammitglieder (darunter Floyd Landis und Tyler Hamilton) sagten gegen ihn aus und brachten die Lawine ins Rollen und so brach schnell das Lügenkarussel rund um die Person Lance Armstrong zusammen.

Nach seinem Comeback in den Jahren 2009 bis 2011 wurde Armstrong 2012 offiziell von der USADA wegen Dopings angeklagt und umgehend für alle Rennen und auch Triathlon-Veranstaltungen gesperrt. Armstrong bekräftigte zu diesem Zeitpunkt noch immer seine Unschuld und behauptete weiterhin, niemals gedopt zu haben. Ende 2012 wurden ihm dann alle Wettkampfergebnisse seit 1998 aberkannt (darunter auch seine sieben Tour-de-France-Siege), außerdem wurde er lebenslang gesperrt.

In einem im Januar 2013 ausgestrahlten, zuvor aufgezeichneten Interview in der Show Oprah’s Next Chapter räumte Armstrong im Interview gegenüber Oprah Winfrey die jahrelange Einnahme von leistungssteigernden Substanzen ein, u. a. für die Zeit all seiner Tour-de-France-Siege.

Seitdem gilt er als einer der „größten Betrüger der Sportgeschichte“.

Zitate von Lance Armstrong:

„Ja, ich finde, ich habe diese Rennen gewonnen. Ich weiß, dass das keine populäre Antwort ist. Die Realität ist aber: Es war eine schlimme Zeit, ein Wettrüsten. Und wir haben alle dieses Spiel gespielt.“ (Lance Armstrong)

„Die Story war so lange so perfekt. Du überlebst diese Krankheit, gewinnst die Tour sieben Mal, hast eine glückliche Ehe und Kinder. Das ist eine mythische, perfekte Geschichte. Sie war aber nicht echt.“ (Lance Armstrong)

Unser Fazit:

Sicherlich ein Film, den man sich anschauen kann, aber sicherlich auch keine Offenbarung und alles andere als ein Blockbuster. Ich empfehle dazu noch den Dokumentations-Film „Die Armstrong Lüge„. Damit ist das „Armstrong-Paket“ erst richtig rund.

Bildnachweise: © 2016 STUDIOCANAL GmbH

Sowohl als DVD als auch Blu-ray erhältlich bei:

JÖRG LACHMANN
Ich bin ein kreativer, konzeptionsstarker und querdenkender Vollprofi in allen Bereichen des On- und Offline-Marketings (B2B/B2C) . . . und somit (wie wohl auch nicht anders zu erwarten) beruflich als Marketingleiter bei der Firma Treff-Punkt-Erfolg GmbH (by Rebecca Paul) angestellt. Da ich schon seit vielen Jahren dem Hobby Radsport verfallen bin, habe ich mich im April 2014 dazu entschlossen, das Online-Magazin "ilovecycling.de" mit „Herz” und vielen nützlichen Themen, Infos, Tipps und Tricks rund um den Hobby- und Jedermann-Radsport ins Leben zu rufen.

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